Kurzbiografie Rüdiger Lüdeking

Rüdiger Lüdeking

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Rüdiger Lüdeking (geb.: 1954) trat nach dem Studium der Geographie, Englisch und Philosophie 1980 in den Auswärtigen Dienst der Bundesrepublik Deutschland ein.

Nach verschiedenen Tätigkeiten im Auswärtigen Dienst war er von 2005 bis 2008 Botschafter, und Stellvertretender Beauftragter der Bundesregierung für Fragen der Abrüstung und Rüstungskontrolle im Auswärtiges Amt in Berlin.

Von 2008 bis 2012 war er Botschafter und Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei dem Büro der Vereinten Nationen und bei anderen internationalen Organisationen in Wien.

2012 wurde er Botschafter und Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, ebenfalls in Wien.

Seit dem 27. Juli 2015 ist Rüdiger Lüdeking Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Königreich Belgien mit Dienstsitz in Brüssel.

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Eine Einschätzung von Rüdiger Lüdeking, Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Königreich Belgien

Deutschland hat gewählt. Die freie und faire Wahl ist Beleg für eine gereifte Demokratie und einen funktionierenden Parlamentarismus. Positiv festzuhalten ist auch, dass nach einem Rückgang bei den letzten Bundestagswahlen dieses Mal die Wahlbeteiligung mit 76,2 % wieder spürbar angestiegen ist.

Das Wahlergebnis ist aktuell Gegenstand vielfältiger Diskussionen und Analysen. Wie immer man dieses bewertet, es unterstreicht die Bedeutung dieser Wahl. Die Bedeutung ist allenthalben in den Wochen vor der Wahl von vielen Beobachtern unterschätzt worden, wurde doch vermutet, dass alles beim alten bleiben würde. Zwar hat mit der Wahl die CDU / CSU erneut ein Mandat zur Regierungsbildung bekommen, jedoch ist absehbar, dass es in den nächsten Tagen und Wochen schwierige Diskussionen und Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung geben wird. Damit könnten sich auch Konsequenzen für zentrale Themen der Politik ergeben.

Das Abschneiden der Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) stand im Mittelpunkt vieler Reaktionen, sowohl in Deutschland, als auch hier in Belgien und anderen europäischen Staaten. Die Partei hat mit fremdenfeindlichen, rassistischen und rechtsextremen Äußerungen im Wahlkampf provoziert. Sie hat nach dem vorläufigen Endergebnis mit 12,6 % besser abgeschnitten, als viele dies vermutet hatten. Dennoch dürfen keine falschen Schlüsse gezogen werden. Die Wähler der AfD bestehen nicht nur aus Rechtsradikalen; die Wahlanalysen zeigen klar, dass viele durch ihre Stimme für die AfD lediglich Protest zum Ausdruck bringen wollten. Dies schien für viele vielleicht auch insofern eine Option zu sein, als nach den Umfragen vor der Wahl generell davon ausgegangen wurde, dass es keine grundlegenden Veränderungen geben würde. Dennoch, der Protest ist ernst zu nehmen. Die Sorgen einer Reihe von Bürgern – und sei es auch nur eine Minderheit – dürfen nicht einfach ignoriert oder als irrelevant abgetan werden. Es zeichnet gerade eine Demokratie aus, dass sie sich nicht einfach in der Dominanz einer Mehrheit über eine Minderheit besteht, sondern auch die Belange von Minderheiten in der demokratischen Entscheidungsfindung gewürdigt und berücksichtigt werden. Ein stabiles demokratisches Gemeinwesen muss dafür Sorge tragen, dass es nicht auseinanderfällt und der gesellschaftliche Grundkonsens gewahrt bleibt. So ist auch keinem damit gedient, wenn beispielsweise die Schere zwischen Arm und Reich sich immer weiter öffnet.

Darüber hinaus: Selbst wenn 12,6 % für die AfD gestimmt haben, so hat sich doch eine überwältigende Mehrheit von 87,4% der Wähler anders entschieden. Aus meiner Sicht sollte dies uns davor bewahren, das Wahlergebnis ungebührlich zu dramatisieren. Es gibt keinen Grund für Alarmismus oder übertriebene Ängste. Ich sehe trotz der mit dem Wahlergebnis verbundenen Herausforderungen zuversichtlich in die Zukunft. Ich bin zuversichtlich, dass sich aufgrund der historischen Erfahrungen und der Skepsis gegenüber Extremismus und Fanatismus an dem im Bundestag herrschenden Bewusstsein für die Verantwortung und die Gemeinsamkeiten der Demokraten, die einem Wertekonsens verpflichtet sind, nichts ändert. Jetzt ist es an der AfD zu beweisen, dass auch sie über alle inhaltlichen Differenzen hinweg dem Grundkonsens und einer konstruktiven parlamentarischen Zusammenarbeit verpflichtet ist.

In den nächsten Tagen und Wochen wird es darum gehen, auf der Grundlage des Wahlergebnisses eine stabile und handlungsfähige Regierung zu bilden. Dies ist eine hohe Verantwortung, der sich die Abgeordneten und Parteien des neu gewählten Bundestages stellen müssen, geht es doch gerade jetzt darum, schwierige Herausforderungen anzugehen und zu meistern, Herausforderungen, denen sich nicht nur Deutschland sondern auch Europa und die internationale Staatengemeinschaft zu stellen hat.

So geht es beispielsweise angesichts martialischer Rhetorik auf der Weltbühne aktuell darum, einen Beitrag zur Festigung von Sicherheit und Frieden zu leisten, weshalb der Wahrung der Kontinuität einer auf Dialog und Zusammenarbeit setzenden deutschen Außenpolitik eine hohe Bedeutung zukommt. Und da die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in einer globalisierten Welt mit vielfältigen Herausforderungen nur gemeinsam gestaltend Einfluss nehmen können, müssen die Arbeiten an einer guten Zukunft der Union in den nächsten Monaten entschlossen vorangetrieben werden. Zu diesem Zweck ist es auch notwendig, das Bewusstsein für die Europäische Union als politisches Projekt, das uns über 70 Jahre Frieden in Freiheit in Europa gesichert hat, zu schärfen und die Vorteile, die die EU jedem Bürger bringt, erfahrbar zu machen. Aber auch innenpolitisch erwarten eine neue Bundesregierung wichtige Aufgaben. Dabei geht es – darüber darf die aktuell sehr gute Wirtschaftslage Deutschlands nicht hinwegtäuschen – auch um so fundamentale Fragen wie die nachhaltige Wahrung des Zusammenhalts unserer Gesellschaft.

Die Wiedergabe erfolgt mit freundlicher Genehmigung der deutschen Botschaft in Brüssel. Ursprünglich erschien der Artikel am 27. September 2017 auf der deutschsprachigen Webseite von VRT:

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Titelfoto: Markus Jaschke CC BY-NC 2.0

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