Der Kusbass und die katastrophalen Folgen der Kohle: Umweltzerstörung, Krankheiten und Tod Russische Umweltgruppe „Ecodefense“ veröffentlicht Umweltbericht.

Von Bernhard Clasen

Der Kusbass im sibirischen Gebiet Kemerowo gelegen ist eines der größten Steinkohlereviere Russlands. In dieser Region dreht sich alles um die Kohle. 70 Prozent der russischen Kohle wird in dieser Region gefördert. Und diese geht zu einem großen Teil nach Europa und Asien. Für die einen gehört der Kusbass zu den Gebieten, mit denen es immer noch wirtschaftlich bergauf geht. Andere hingegen machen sich Sorgen um die Zukunft der dort lebenden Bevölkerung. Zu letzteren gehören russische Umweltschützer. Am heutigen Freitag hat die russische Umweltgruppe „Ecodefense“ in Moskau einen Bericht über die ökologische Situation im Kusbass der Öffentlichkeit vorgestellt, der wenig Raum für Optimismus für die boomende Region in West-Sibirien läßt. Der Bericht ist das Ergebnis einer mehrmonatigen Recherche von Moskauer und sibirischen Umweltschützern. Und die Umweltschützer fordern die russische Regierung auf, zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, um die Schädigung von Natur und Gesundheit im Kusbass zum Stillstand zu bringen.

Kusbass Kohlemine | Foto: Ecodefense

Einhergehend mit steigenden Kohleexporten in den letzten 15 Jahren nehmen auch Luftverschmutzung zu, wird immer mehr bei der Förderung entstehender Müll angelagert. Von 2005 bis 2019, so der Ecodefense-Bericht, ist die Kohleförderung im Zentrum des Kusbass, im Gebiet Kemerovo von 164 Millionen Tonnen auf 249 Millionen Tonnen gestiegen, der Export gar von 55 Millionen auf 135 Millionen Tonnen. Die Regierung plant eine weitere Steigerung der Förderung um das 1,5 Fache in den nächsten 15 Jahren auf 380 Millionen Tonnen. Doch gestiegen sind auch Erkrankungen. So lag die Sterblichkeit in dieser Kohleregion 2019 um 16 Prozent über dem russischen Landesdurchschnitt.

Zwischen 2003 und 2019 hat sich die Zahl der bösartigen Tumore von 208,94 in 2003 auf 240,8 in 2019 erhöht. Auch die Statistik der an Lungenerkrankungen Verstorbenen ist im Gebiet Kemerowo seit 30 Jahren über dem Landesdurchschnitt. 75,95 auf 100 Tausend im Kusbass gegenüber landesweiten 58,98, Auch die Lebenserwartung liegt 3,14 Jahre unter der in Gesamtrussland. Die Werke des Kusbass pusten jährlich 1,76 Millionen Tonnen Gifte in die Luft, das ist mehr als der russische Bezirk Nordwest, der 18 mal größer als der Kusbass ist. In den letzten 15 Jahren haben sich die giftigen Stoffe, die die Kohleindustrie in die Atmosphäre abgegeben hat, fast verdoppelt, nämlich von 591 Tausend Tonnen auch 1147 Tausend Tonnen.

Allein Methan macht mit 50 Prozent den Löwenanteil dieser giftigen an die Umwelt abgegebenen Stoffe aus. Mit 1.086.570 Tonnen ist das Gebiet Kemerowo russischer Spitzenreiter bei der Luftverschmutzung mit dem Klimakiller Methan. Jeder Bewohner des Kusbass sondert im Schnitt 662 Kilogramm Umweltgifte pro Jahr in die Atmosphäre ab. 2018 lag der landesweite Durchschnittswert in Russland bei 220 Kilogramm pro Einwohner.

Kusbass Kohlemine | Foto: Ecodefense

Ein weiteres Problem, so die Autoren Wladimir Slivjak (Moskau) und Anton Lementujew (Kusbass), ist, dass sich die Produktionsstätten oftmals in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten befänden. “Die Folgen des Wachstums der Kohleförderung sind eine riesige Umweltzerstörung, schwere Krankheiten und eine erhöhte Sterblichkeit. Das bedeutet nicht nur für einen Teil der Bevölkerung schreckliche Lebensbedingungen, das schadet auch der Wirtschaft. Die Kohle-Regionen brauchen eine Strategie zur Bekämpfung der ökologischen Krise und sie müssen ihre Wirtschaft diversifizieren“ erklärt Vladimir Slivyak, Co-Vorsitzender von „Ecodefense“ einer der Autoren des Berichts. “Bergbau und Kohlefabriken in den Städten, unzählige rauchende und brennende Deponien sind leider ein typisches Bild im Kusbass. Wegen des Klimawandels planen viele Länder einen Ausstieg aus der Kohle. Und dadurch wird die Nachfrage nach Kohle sinken. Der Kusbass braucht alternative Arbeitsplätze, sonst droht uns eine soziale Explosion”, erklärte Anton Lementujew, der für Ecodefense im Kusbass tätig ist.
Weiterführender Link (nur russisch): Den Bericht von Ecodefense gibt es hier (auf russisch). Und hier die Seite russischer KohlegegnerInnen.

Titelbild / Fotos: Auf dem Titelbild mit dem Banner sind die Autoren Wladimir Slivjak (Moskau) und Anton Lementujew (Kusbass) zu sehen. Alle Photos sind von Ecodefense und im Kusbass aufgenommen.

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