Nach der Europawahl 2019 hat die EU unter der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) zunächst unter dem Titel „European Green Deal“ einige gute und richtungsweisende Schritte zum Klimaschutz und zur Stärkung von Menschenrechten entlang der internationalen Lieferketten von in der EU ansässigen Unternehmen auf den Weg gebracht und in Form mehrere EU-Richtlinien verabschiedet. Doch seit Frühjahr 2023 hat die EVP-Fraktion im Europäischen Parlament unter der Führung ihres Vorsitzenden Manfred Weber (CSU) in Kooperation mit rechtsextremen Fraktion des Parlaments diese fortschrittliche und Politik zugunsten von Bürgerinnen und Bürgern zurückzudrehen. In Folge sollen nun im Rahmen einer so genannten Omnibus-Richtlinie drei wesentliche Richtlinien des „European Green Deal“ einer Überarbeitung unterzogen worden. Europablog dokumentiert im Folgenden einen offenen Brief von religiösen zivilgesellschaftlichen Organisationen an Ursula von der Leyen, in der die Absendenden fordern, den „European Green Deal“ nicht durch die geplante Omnibus-Richtlinie zu verwässern. Der Brief wurde ursprünglich auf der CIDSE (Coopération internationale pour le développement et la solidarité) veröffentlicht. CIDSE versteht sich nach ihrer eigenen Definition „als internationaler Zusammenschluss katholischer Organisationen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen und auf einen tiefgreifenden Wandel hinwirken mit dem Ziel, der Armut und sozialen Ungleichheit ein Ende zu setzen, gegen systemische Ungerechtigkeit, Ungleichbehandlung und Umweltzerstörung anzugehen und sich für gerechte und nachhaltige Alternativen einsetzen“. Der offene Brief wurde am 22. Januar 2025 in EN, ES, FR und IT auf der CIDSE-Webseite veröffentlicht. Die deutsche Übersetzung und deren Wiedergabe auf Europablog erfolgt mit Zustimmung der Presseabteilung von CIDSE.

Bedenken hinsichtlich des Omnibus-Vorschlags

Offener Brief an Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

Brüssel, 21. Januar 2025

Sehr geehrte Frau von der Leyen,

seit vielen Jahren drängt die Zivilgesellschaft zusammen mit glaubensbasierten und religiösen Organisationen auf eine verbindliche Gesetzgebung zu menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten (mHREDD) in der Europäischen Union, um sicherzustellen, dass diejenigen, die durch unternehmerisches Fehlverhalten geschädigt wurden, Gerechtigkeit erfahren können. Im Jahr 2023 unterstützten über 200 religiöse Würdenträger diese Initiative für unternehmerische Rechenschaftspflicht. In ähnlicher Weise haben sich im Jahr 2020 mehr als 230 katholische Bischöfe mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und Bürgern zusammengetan, um eine mHREDD-Gesetzgebung zu fordern. Daher stellt die Verabschiedung der Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Juli 2024 einen bedeutenden Sieg für diejenigen weltweit dar, die sowohl den Planeten Erde als auch die Menschenwürde vor den negativen Auswirkungen profitorientierter Unternehmenspraktiken schützen.

Nach Ihrer Ankündigung vom 8. November 2024 bezüglich eines Vorschlags zur Änderung von drei wichtigen Säulen des Europäischen Green Deal durch ein Omnibus-Gesetz – die Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD), die Richtlinie zur unternehmerischen Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) und die Taxonomie-Verordnung – erkennen die Unterzeichner dieses Schreibens erhebliche Risiken für die bereits verabschiedeten Gesetzesvorlagen. Wir fordern Sie auf, diese EU-Gesetze zur Unternehmensverantwortung zu schützen, ihren Umsetzungs- und Implementierungszeitplan zu bestätigen und vollständige Transparenz im Omnibus-Verfahren zu gewährleisten. Wie in der Erklärung der zivilgesellschaftlichen Organisationen hervorgehoben wird, stünde der Vorschlag im Widerspruch zu den Werten, zu deren Wahrung sich die EU verpflichtet hat, nämlich Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte.

Dieser Vorschlag führt zu erheblicher Unsicherheit für Staaten, die bereits mit der Umsetzung begonnen haben. Darüber hinaus bereiten sich viele Unternehmen bereits auf die Einhaltung dieser Vorschriften vor und fordern von der Kommission Klarheit und Anleitung, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und Chaos zu vermeiden. Vor allem ist die CSDDD ein wichtiges Instrument zum Schutz der Grundrechte von Einzelpersonen und Gemeinschaften, die von Geschäftstätigkeiten betroffen sind, zur Verhinderung von Menschenrechts- und Umweltverstößen durch Unternehmen und zur Verteidigung unseres gemeinsamen Zuhauses. Daher sollte ihre Umsetzung nicht verzögert werden.

Die Europäische Union sollte die bereits erzielten Fortschritte im Hinblick auf den Europäischen Green Deal nicht rückgängig machen. Wir bitten Sie, Frau von der Leyen, höflichst, durch eindeutige Erwartungen, Rechtssicherheit und rasche, gründliche Umsetzungsleitlinien gerechte Bedingungen für den Schutz der Menschenrechte, der Umwelt und des Klimas zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen,

UNTERZEICHNER:

Floris Faber, EU Representative & Head of Office, ACT Alliance EU
Eva Ekelund, Deputy Director, ACT Church of Sweden
Lieve Herijgers, Director, Broederlijk Delen
Maria Nyman, Secretary General, Caritas Europa
Jonas Schneide, Chairman and Sigrid Kickingereder, Director, Catholic Children’s Movement (Katholische Jungschar) and DKA Austria
Jean-François Dubost, Director of Advocacy, CCFD-Terre Solidaire
Rosamond Bennett, Chief Executive Officer, Christian Aid Ireland
Josianne Gauthier, Secretary General, CIDSE
Maria Moser, Director, Diakonie Österreich
Tomi Järvinen, Executive Director, Finn Church Aid (FCA)
Andrea Stocchiero, Director Advocacy, FOCSIV Italy
Mary Tere Guzmán, Executive Director, Fundación Alboan
Martin Hayes, Bishop – Laudato Si’ Coordinator, Irish Catholic Bishops Conference
Markus Schlagnitweit, Director, Katholische Sozialakademie Österreichs – ksoe
Anja Appel, Director, KOO Austria
Cecilia Pilar Gracia, National President, Manos Unidas
Bernd Bornhorst, Managing Director, International Cooperation, Misereor (German Catholic Bishops’ Organisation for Development Cooperation)
Martha Inés Romero, Secretary General, Pax Christi International
Michael Chalupka, Bishop, Protestant Church of Augsburg
Lukas Hauser, Chairman and Bettina Növer, Youth Pastor, Protestant Youth Austria (Evangelische Jugend Österreich)
Caoimhe de Barra, Chief Executive Officer, Trócaire

Links zum Artikel

  • Devoir de vigilance : L’omnibus européen contre les droits humains. Le collectif luxembourgeois Initiative pour un devoir de vigilance remet une nouvelle fois l’ouvrage sur le métier pour exiger une transposition ambitieuse en droit national de la directive obligeant les multinationales à respecter les droits humains et environnementaux. Il s’inquiète de la perspective d’une « loi omnibus » européenne, qui détricoterait le texte adopté l’an dernier. Von Fabien Grasser | woxx, 14.02.2025

Titelbild: Ursula von der Leyen; The Left CC BY-SA 2.0 DEED via FlickR

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