Von Jürgen Klute

Der 11.11. wird in Deutschland vor allem mit Karneval in Verbindung gebracht: An diesem Tag wird um 11:11 Uhr die Karnevals-Saison eingeläutet.

Im westlichen Nachbarland Belgien, in dem Karneval auch bekannt ist, hat der 11.11. allerdings eine ganz andere Bedeutung. Und es ist ebenso bemerkenswert wie irritierend, dass dieses Ereignis in Deutschland nahezu gänzlich aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden ist. In Belgien ist der 11. November ein nationaler Feiertag, an dem an das Ende und an die Toten des 1. Weltkrieges gedacht wird.

Jährlich legt der belgische König am Grab des unbekannten Soldaten an der Kongress-Säule am Place du Congrès in Brüssel einen Kranz nieder (Flanderninfo vom 11.11.2021).

Welche Bedeutung das Ende des 1. Weltkriegs in der belgischen Erinnerungskultur hat, mag die Last-Post-Zeremonie verdeutlichen. Seit 103 Jahren findet sie täglich – mit Ausnahme der Zeit der Besetzung Belgiens durch die deutsche Wehrmacht – unter dem Meenen-Tor bei Ypern/Iepern statt. An diesem Ort versammelten sich die Soldaten, um von hier an die Front zu ziehen. Die Namen von über 55.000 Soldaten aus dem Commonwealth, die noch immer als vermisst gelten, wurden in das Tor gemeißelt. Am 11. November 2021 wurde die Melodie The last Post von einem Hornisten zum 32.317. Mal zum Gedenken an die Gefallenen geblasen (vgl. Flanderninfo vom 11.11.2021).

Noch heute stößt man immer wieder auf Spuren des 1. Weltkriegs in Belgien, insbesondere in Flandern. Bei Bauarbeiten werden immer wieder Reste von ehemaligen Stellungen gefunden, Munition aber auch die Überreste Gefallener Soldaten. Hier beispielhaft zwei Berichte aus dem Flanderninfo vom 10. November 2021 und Flanderninfo vom 12. April 2021.

Selbst die Zählung von durch den 1. Weltkrieg getöteter belgischer Zivilisten ist noch immer nicht gänzlich abgeschlossen, wie das deutschsprachige belgische Nachrichtenportal Flanderninfo am 12.11.2018 unter dem Titel „100 Jahre Erster Weltkrieg: Mehr Zivilopfer in Belgien als ursprünglich angenommen“ berichtete.

Das Verhältnis zwischen Belgien und der Bundesrepublik ist heute ein gutnachbarschaftliches. Dennoch ist die Geschichte in Belgien nicht vergessen. Das weiß auch die Bundesregierung. Im Januar 2018 – dem Jahr, in dem sich das Ende des 1. Weltkriegen zum 100. Male jährte – hat der damalige deutsche Botschafter beim Königreich Belgien, Rüdiger Lüdeking, dazu ein einem von Alexander Louvet für die deutsche Botschaft produzierten Video erläutert, weshalb es wichtig ist, sich zu erinnern. Wünschenswert wäre, dass diese Erinnerung nicht nur in Belgien stattfindet, sondern auch in dem Land, dass die Hauptschuld an diesem furchtbaren Krieg trägt, der Millionen jungen Menschen einen oft grausamen und in jedem Fall viel zu frühen Tod gebracht hat. Weshalb der Karneval die Erinnerung an dieses Menschheitsdrama in Deutschland – trotz seiner zentralen Rolle in diesem Drama – verdrängt hat, ist nur schwer nachvollziehbar.

Video mit dem ehemaligen Botschafter beim Königreich Belgien Rüdiger Lüdeking

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Titelbild: In rememberance by penjelly CC BY-ND 2.0 via FlickR

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