Verhaftung von Journalisten – ein Berufsrisiko? Den Eindruck kann man bekommen, wenn man die Berichterstattung über die Verhaftung des früheren taz- und heutigen Welt-Redakteurs Deniz Yücel durch die türkische Polizei durchgeht. Dabei ist das ein weiterer Anschlag auf die Pressefreiheit, ein Anschlag auf die vierte Säule der Demokratie. In der Türkei ist das zwar nichts Neues. Neben Deniz Yücel sind mehrere hundert seiner Kollegen und Kolleginnen in Haft – nicht erst seit dem Putsch. Aber das macht diesen Akt staatlichen Machtmissbrauchs nicht harmloser.
Nun könnte man meinen, dass unter den journalistischen Kolleginnen und Kollegen von Deniz Yücel in der BRD ein Proteststurm losbricht angesichts seiner Verhaftung.
Aber weit gefehlt, wie Samael Falkner in seinem Artikel auf dem Blog „Prinzessinnenreporter“ analysiert. Falkner hat sich die Berichterstattung in den Medien sowie Posts und Kommentare in den social media der letzten Tage angeschaut.
Falkners Resümee lautet:
Und nein, liebe “witzige” Facebookkontakte, ich möchte auch nicht Promi XY gegen Deniz „eintauschen“. “Aber der Böhmermann ist eh nicht lustig, den könnte man doch …” Nein. Nein, könnte man nicht. Erdogans Regierung begeht in großem Stile – auch nach türkischem Recht – Verfassungsbruch mit der Inhaftierung mehrerer hundert Journalisten und der Forderung von teilweise mehrfach lebenslänglichen Haftstrafen für Oppositionspolitiker. Das ist kein Punkt mehr, an dem ich Witzchen mache, wem ich lieber als Deniz 120 Jahre Haft wünschen würde in einem der völlig überfüllten Gefängnisse. Ich würde es auch trotz völliger Ablehnung des Mediums nicht begrüßen, wenn etwa Julian Reichelt statt Deniz verhaftet worden wäre. Beide haben letztlich, natürlich auch von eigenen Zielen und Moralvorstellungen eingefärbt, nur ihren Job gemacht. Und ich muss die Berichterstattung der BILD nicht feiern, um zu wissen, dass kein Journalist für seine Arbeit hinter Gittern landen sollte, weil ihm unterstellt wird, er hätte die Fakten aus dem Artikel nicht von den angegebenen Quellen abgetippt, sondern praktisch persönlich vom präsidialen Computer erhackt. Das ist ein völlig absurder, konstruierter Vorwurf.
Man kann Journalisten für viele Dinge rechtlich belangen. Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder Volksverhetzung zum Beispiel. In Deutschland sind dann Geld- oder Bewährungsstrafen vorgesehen. Manchmal werden Journalisten bei ihrem Hauptmedium entlassen, wenn sie eine Grenze übertreten. Das ist alles legitim. Die Erdogan-Regierung dagegen möchte die Todesstrafe wiedereinführen, um sie demonstrativ gegen jene einzusetzen, die vermeintlich an dem Putsch beteiligt waren. Also eventuell auch einige der 200 seit dem Putsch verhafteten Journalisten. Also möglicherweise auch Deniz, dem man vorwirft, er habe Regierungsdaten gestohlen und sei zuvor bereits Mitglied einer terroristischen Organisation gewesen. Nein, da gibt es keine Diskussion. Nicht mit Kollegen, die die Situation nutzen, um endlich mal den Artikel gegen Deniz zu schreiben, den sie schon immer publizieren wollten und auch nicht mit der Fraktion “Die Presse gehört geschlossen in den Knast – Verdammte Volksverräter / Staatsdiener”.
Von Proteststürmen gegen den Abbruch einer tragenden Säule der Demokratie kann man hier wahrlich nicht reden.
Samael Falkner gebührt Dank für diesen aufklärenden Artikel über den Zustand unserer Gesellschaft!
Titelbild: #FreeDeniz by Alte wilde Korkmaennchen CC BY-ND 2.0
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[…] die Verhaftung von Deniz Yücel in deutschen Medien und in social media etwas genauer anzuschauen (vgl. dazu auch meinen Beitrag vom 21. Februar auf diesem Blog). Sein Fazit ist ernüchternd: Kein Protest gegen den Abbruch einer tragenden Säule der […]