Beitrag von Vesna Caminades

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in meinem Beitrag zu „Accessoires, Pullis und Ledertaschen” hatte ich angekündigt, dass ich mich noch eingehender mit dem Thema „Tierfreundliche Kleidung“ auseinandersetzen würde. Es ist effektiv erstaunlich, was man dabei alles entdeckt!

Zu aller erst einige Zahlen: laut einem Artikel von Greenpeace (Stand 1/2017) kauft in Deutschland jeder Mensch durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr oder anders herum fast jede Woche ein Kleidungsstück, trägt die Klamotten aber eine kürzere Zeit lang. Kurz gefasst liegt der Trend bei „doppelte Menge, halbierte Tragedauer“.

Ich zitiere weiter „(…) während deutsche Verbraucher jährlich 10 Kilogramm neue Kleidung kaufen, sind es in den USA 16 Kilogramm und in Afrika/Nahost nur etwa zwei Kilogramm“.

Daher spricht man von „Fast Fashion“, da Mode so günstig geworden ist, wird sie zur Wegwerfware. Cool! Da könnte man zum Schluss kommen, dass man sich also mehr leisten und immer modisch gekleidet sein kann.  Ganz im Gegenteil, so cool ist das alles gar nicht. Der Artikel weist auf weitere zwei beunruhigende Tatsachen hin:

  1. Mit dem wachsenden Textilkonsum in Industrieländern wachsen die Umweltfolgen in Herstellungsländern wie Bangladesch und China. Auf Druck von Greenpeace entgiften mittlerweile 78 Textil-Unternehmen bis 2020 den Chemikalieneinsatz bei der Herstellung. Doch besteht die Gefahr, dass diese Erfolge durch die weltweit wachsende Produktion und den steigenden Konsum von Kleidung gleich Null werden.
  2. Außerdem: allein durch Herstellung, Warentransport und den Gebrauch – Waschen, Trocknen und Bügeln – von Kleidung werden jährlich mehr als 850 Millionen Tonnen CO2- Emissionen verursacht.

Ein praktisches Beispiel: dank Polyester wird Kleidung sehr billig. Allerdings werden bei jedem Waschgang enorm viele Mikroplastikpartikel freigesetzt, die in unsere Gewässer und insbesondere in die Meere landen, wo sie unter anderem von den Fischen geschluckt werden. Schließlich landen sie in Form von leckeren Fischgerichten auf unseren Teller. Ironisch ausgedrückt: auch eine Art „Kreislaufwirtschaft“ … Hier eine sehr aufschlussreiche Webseite, die in einfachen Worten die Problematik „Mikroplastik“ erklärt und was es damit auf sich hat.

Die Lösung zu all dem scheint somit ganz einfach zu sein: ich schenke Kleidung her, die ich nicht mehr trage. Das wird dann wohl in irgendeinen „Second Hand Laden“ kommen oder jemanden auf der südlichen Erdhalbkugel glücklich machen. Ganz so ist es leider nicht, denn es gehen immer weniger Leute in Läden mit Ware zweiter Hand einkaufen.  Andrerseits haben zum Schutz der lokalen Textilproduktion inzwischen viele Länder wie Afrika, Südamerika und Asien, den Import von Altkleidern beschränkt oder ganz verboten.

Dann bleibt wohl aber noch Recycling? Nun ja, auch dies stellt keinen effizienten Ausweg dar und zwar aus verschiedenen Gründen. Es entpuppt sich als extrem schwierig, die Textilien zu identifizieren, aus welchen Stoffe sie bestehen, denn meistens wurden die Etiketten entfernt. Reißverschlüsse, Metalldekorationen etc. erschweren den Vorgang noch mehr und meist müssen darüber hinaus neue Fasern hinzugefügt werden, um etwas Brauchbares zum Schluss zu produzieren.

Daher scheint die einzige für unsere Umwelt effiziente Lösung jene zu sein, simpel und einfach weniger Kleidung einzukaufen, sie länger zu tragen und dabei überlegter zur Waschmaschine zu greifen (manchmal reicht ein gutes Lüften).

Nach dieser recht ernüchternden Erkenntnis möchte ich Sie nun auf eine Reise durch eine innovative Modewelt mitnehmen: jene der tierfreundlichen Kleidung.

Auf der Bank der Angeklagten sitzen vor allem folgende Bestandteile tierischen Ursprungs: Wolle, Kaschmir, Mohair, Pelz, Angora, Leder, Federn, Seide, Horn und Perlmutt. Kommt Ihnen das alles irgendwie bekannt vor – aus Ihrem Kleiderschrank? Manch einer wird sich noch wehren und sagen: Leder ist doch ein Abfallprodukt der Fleischindustrie, dasselbe gilt für Federn – oder? Nein im Gegenteil, enorm viele Tiere werden für deren Häute, Pelze und Federn gezüchtet und misshandelt.

Einige konkrete Beispiele, damit Sie sich auch bewusstwerden, weshalb von Misshandlung die Rede ist:

Leder ist Tierhaut, sie wird auf chemische Art und Weise durch Gerbung haltbar gemacht (zum größten Teil giftige Stoffe, die dann auch in Kontakt mit unserer Haut kommen – siehe dazu „World Bank Group  Tanning and Leather finishing guidelines 2007″ – zum Beispiel Chrom); dafür werden Kühe, Kälber und Rinder aber auch Hunde, um nur einige zu nennen unter Qualen gezüchtet und bis zum Tod misshandelt. Hier einige „Quick facts“ dazu. Wussten Sie zum Beispiel, dass jährlich 1 Milliarde Tiere für Leder sterben müssen?

Und damit nicht nur Peta-Berichte zitiert werden hier noch zwei weitere Seiten: einmal die Albert Schweitzer Stiftung https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/leder-tierleid-und-umweltverschmutzung und der Tierschutzverein Tirol. https://www.tierschutzverein-tirol.at/2018/09/17/lederproduktion-das-massengeschaeft-mit-dem-tierleid-teil-1/

Pelz wird letzthin wieder verstärkt nachgefragt – Misshandlung pur, angefangen von Zucht bis hin zur Tötung. Hier ein Artikel aus dem Jahr 2014 zur Zucht von Marderhunden in China. Wer würde denken, dass hinter einem Mützenbommel so viel Leid stecken kann? Marder, auf die man mit Stöcken einschlägt, um sie zu töten, wobei ihnen das Fell abgezogen wird, gleich ob sie noch atmen oder nicht. Nur damit so ein Knäuel auf der Mütze herumbaumelt … In Europa schaut es aber nicht unbedingt immer besser aus. Ein Nerzfellproduzent (Mink) aus Dänemark gibt zu: “Wir fahren eine Tötungsmaschine zu den Käfigen. Dort nehmen wir den Mink heraus und werfen ihn in eine Box, die mit den Abgasen des Benzinmotors gefüllt ist. Nach zehn bis 15 Sekunden sind die Tiere bewusstlos. Sie legen sich hin und sind in ein bis zwei Minuten tot. Auch das Häuten geschieht hier maschinell.“

Wer unter Ihnen etwas mehr über die Tötungsmethoden erfahren möchte, kann das hier nachlesen www.pelzinfo.ch. Die Webseite beschreibt auf sachliche Art und Weise, wie man zum Pelz kommt, angefangen vom Erschlagen der Robbenbabies bis hin zu Elektrokution und Vergasen. Es ist nicht sehr erfreulich, diese Dinge zu lesen, aber ich bin der Überzeugung, wenn es nicht „angenehm“ klingt, dann ist wohl etwas faul und das bedeutet, es muss etwas geändert werden.  

Federn stammen meist von Gänsen und Enten, wobei zwischen „Raufen“ und „Lebendrupf“ unterschieden wird. „Raufen“ (Entnahme während der Mauser) klingt wie die bessere Methode, doch es ist nicht immer für alle Tiere schmerzfrei, denn sie mausern nicht alle zum selben Zeitpunkt. In einer Zucht müssen sie allerdings meist zum selben Zeitpunkt die Federn lassen und somit werden diese zufällig bei manchen Gänsen und Enten regelrecht vom Leib ausgerissen, wenn sie nicht gerade mausern …

Kaschmir stammt aus dem Unterfell der Kaschmirziegen und wird schlicht und einfach mit Drahtbürsten aus ihrem Fell gezerrt. Viele Ziegen sterben, da sie keinen Schutz mehr vor Kälte haben. Hier ist ein Video von ZDF Heute Nachrichten, welches zeigt, wie Kaschmirwolle gewonnen wird. Gewöhnlich dauert die Schur 5-6 Stunden. Die Akkordlohnarbeiter hingegen wenden pro Tier 40-50 Minuten auf. Den Ziegen werden die Beine zusammengebunden, sie liegen auf dem Boden, der Kopf mit dem Fuß nieder gedrückt. Sie schreien kläglich vor Schmerz, Schnitte und Risse sind das Ergebnis. Der Grund? Unsere zu hohe Nachfrage nach der wertvollen Wolle.

Angora ist das Fell der Hasen, die ebenfalls auf industrielle und intensive Art in extrem kleinen Käfigen gehalten werden, wobei ihnen die Wolle vom Körper gerissen wird. Hier ein Video von Peta zu Unternehmen, die auf Angora verzichten.

Bleiben wir kurz bei Wolle, Mohair von den gleichnamigen Ziegen. Ebenfalls Akkord, um das Fell zu reinigen, kommen die Ziegen in Reinigungslösungen mit Chemikalien (der Kopf wird ebenfalls untergetaucht), bei der Schur können selbst Hautlappen ausgerissen werden, bis zu 80% der Ziegen können nach der Schur durch Verletzungen, Infektionen oder Kälte sterben. Wer mehr darüber wissen möchte: hier und hier.

Seide schließlich stammt aus dem Kokon der Raupen, die später zu Schmetterlingen (werden hätten sollen). Doch die Raupen werden lebend verbrüht, damit der Kokon erhalten bleibt und somit die Seidenfasern gewonnen werden können. Die Raupen werden also niemals zu bunten Schmetterlingen werden. Das Brutale dabei ist: für nur ca. 450 Gramm Seide sterben ungefähr 3.000 Raupen!

Dieser Artikel von ProVeg enthüllt noch weitere Details zu den genannten Rohstoffen. Wussten Sie zum Beispiel, dass Karmin als Textilfarbe aus Läusen hergestellt wird und dass Klebstoffe für Schuhe und Taschen ebenfalls aus Tierknochen und –häuten hergestellt werden?

Die Situation ist also wirklich erschreckend. Es bestehen allerdings Alternativen, wobei man nicht auf Qualität und Schönheit verzichten muss.

Hier habe ich eine wirklich interessante Webseite gefunden, „animalfair.at“, die in kurzen Worten hervorragend die neuesten Ersatzmaterialien beschreibt.

Die meist bekannten Substitute sind heutzutage Hanf, Kork, Baumwolle, Leinen, Sojaseide (steht in der Beschaffenheit der wahren Seide in nichts nach), aber auch Lyocell/TENCEL stammend aus Zellulose und Viskose, aus Holz gewonnen.

Ein besonders innovatives Produkt ist Piñatex. Der Namen klingt etwas ähnlich wie der Cocktail „Piña Colada“ und effektiv stammt dieser Stoff auch aus Ananasfasern. Hier ein Video zur Entstehungsgeschichte dieses abbaubaren Stoffes, der aus einem Abfallprodukt stammt und Leder super ersetzen kann.

Es gibt allerdings auch Ersatzstoffe, die nicht biologisch abbaubar sind und somit die Umwelt belasten, wie Kunstpelz und -leder, Polyester und Acryl. In dem Fall ist es umso wichtiger, das Produkt nicht nach einigen Malen zu entsorgen, sondern es längere Zeit zu verwenden.

Zusammenfassend kann man in diesem Video von Peta in nur vier Minuten – auf einfache Art und Weise und ohne grausame Bilder – verstehen, was der Mehrwert von tierfreundlicher Kleidung ist. Es gibt auch Logozeichen, die einem beim Einkauf helfen zu verstehen, ob das Produkt tierfreundlich herstellt wurde oder nicht. Im Anschluss am Artikel führe ich einige Beispiele an.

Es wäre meines Erachtens sehr wichtig, dass vor allem auch Jugendliche mit diesen Fakten konfrontiert werden, denn sie sind genauso Konsumenten und tragen mehr oder weniger zu der (zugrunde gehenden) Umwelt bei.

Wer etwas mehr über solche tierfreundlichen Materialien wissen möchte, kann sich dank diesem Fashion Einsteiger Guide für nachhaltige Kleidung in kürzester Zeit umfassend einlesen.

Es ist unglaublich, wie man trotz der Entscheidung, tierfreundlich zu leben, nicht auf Komfort verzichten muss. Allerdings bleibt natürlich der Punkt offen, dass derzeit solche Kleidungsstücke, selbst wenn man sie online kauft, meist noch recht teuer sind im Vergleich zu den konventionellen Hosen, Pullis und Jacken. Doch mein Prinzip ist: steigt die Nachfrage, dann wird es für die Unternehmen rentabler, solche Dinge zu produzieren, und bei steigendem Absatz kann der Konsument meist mit billigeren Preisen rechnen. Doch dafür muss man diese tierfreundlichen Produkte mehr und mehr nachfragen.

Dann bleibt nur noch die Frage offen – wo findet man diese tierfreundliche Mode? Anbei einige Tipps, denn ich möchte ja für keine Marke spezifisch Werbung machen:

Es gibt eine eigene Fashion Week für tierfreundliche und nachhaltige Mode und hier noch zwei weitere Seiten zum Nachlesen: https://www.thewildlab.be sowie https://bevegan.be/fr/home/

Also liegt es wieder einmal in unserer Macht, den Markt zu beeinflussen und möglichst viele Tierleben zu retten! IAMA

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

Zu den weiteren Artikeln von Vesna Caminades zum Thema Tierschutz und Tierrechte bitte hier klicken
Ganz unten ein Praktisches Beispiel für ein Kleidungsetikett, das als vegan anerkannt wird

Titelbild: “sheep shearing” by chrisq38 is licensed under CC BY-NC 2.0

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