Beitrag von Vesna Caminades
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
ist Ihnen dieses Zitat bekannt? Vielleicht, doch die wenigsten kennen die Sicht der edlen Kreaturen dazu: „Das Glück der Pferde, ist ein Reiter auf der Erde“. Nun, das klingt wahrscheinlich etwas ironisch, aber da steckt soviel Wahrheit dahinter. Will ich heute über schlecht ausgebildete Reiterinnen und Reiter philosophieren? Nein, ganz und gar nicht. Eher darüber, dass diese „Glücksträger“ leider zu oft auf den Speisezettel landen; vielleicht sogar auf Ihren, ohne dass Sie es ahnen …
Erweckt der Namen „Black Beauty“ Erinnerungen aus der eigenen Kindheit? Der wunderschöne pechschwarze Hengst, der unsere Träume beflügelte. Auch heutzutage ist das Pferd noch immer ein Synonym für Schönheit, Eleganz und majestätisches Auftreten. All diese Bewunderung unsererseits für diese vielseitigen Vierbeiner retten diese leider nicht vor einem zu häufigen grausamen Schicksal.
Vielen unter uns ist der Pferdefleischskandal von 2013 ein Begriff. Damals war klar: die bösen Betrüger, die Pferdefleisch über zehn Ecken geschmuggelt haben, die armen Verbraucher, die unbewusst Pferde- statt Rindfleisch verzehrt haben, die Tierschützer, deren Aufschrei endlich einmal berücksichtigt wurde, die Zeitungen, die ihrerseits endlich wieder einmal etwas „Besonderes“ zum Schreiben hatten. Aber danach? Wer interessiert sich heute, acht Jahre später dafür, dass die Europäische Union der Hauptimporteur für Pferdefleisch aus Argentinien und Brasilien ist? Dass dort Pferde „gestohlen“ werden (müssen), um die Nachfrage vor allem aus der EU zu befriedigen, dass Sport- und vor allem Rennpferde, die nicht mehr „rentabel“ beziehungsweise „verwendbar“ sind, in die Lebensmittelkette landen, selbst wenn dies nicht legal ist; wen interessiert es, dass die Kontrollen der EU in Drittländern angekündigt werden und somit leicht umgangen und gefälscht werden können?
Wen geht das alles heutzutage noch etwas an? Einige, zu wenige.
Es gibt Leute, die essen bewusst Pferdefleisch, andere die machen das eben unbewusst. Mit anderen Worten: es wurde ihnen Rossfleisch als Rindfleisch untergejubelt. Diese Thematik rund um das Pferdefleisch wurde von verschiedenen Tierschutzorganisationen aufgegriffen, denn man spricht zu selten darüber. Als Verbraucher wundert man sich vielleicht, wenn man hin und wieder in einer Spezialkühlabteilung im Supermarkt Fleisch vom Pferd, neben dem von Strauß, Känguru oder sonst was Exotisches findet. Leider ist das die traurige Realität. In der Folge einige Daten dazu.
Eurogroup for Animals ist übrigens eine paneuropäische Tierschutzorganisation, die sich vor allem dafür einsetzt, das Wohlergehen von möglichst vielen Tieren zu verbessern und die Interessen der Tiere zu verteidigen. In Europa ist laut einem ihrer Berichte (November 2020) der Pferdefleischkonsum besonders in Benelux, den Niederlanden, Frankreich und Italien populär (siehe Seite 12 des Reports). Besonders interessant ist auch, dass nach dem Skandal bis Mitte 2019 der Verkauf von Pferdefleisch aus grausamer Produktion aus Übersee beispielsweise in der Schweiz, den Niederlanden und in mindestens sieben belgischen Supermarktketten untersagt wurde (Seite 11 Graphik). Dazu gibt es übrigens auch einen interessanten Artikel auf www.pferdewoche.ch „Der eigentliche Pferdefleisch-Skandal“ Wenn man diesen Beitrag liest, dann wird man sich bewusst, dass diese Skandalgeschichte nur die Spitze vom Eisberg war und ist. Ja, denn effektiv geht es nicht nur darum, dass die Etiketten auf den Lebensmitteln ein purer Schwindel waren. Es geht vielmehr darum, dass dank der Untersuchungen und Nachforschungen herausgefunden wurde, was die armen Pferde alles mitmachen mussten und leider immer noch müssen, bevor sie zu einem falschen Etikett werden.
„In den USA wurde 2007 ein Schlachtstopp für das edle Tier verhängt. Doch dieser Entscheid hat den Pferden wohl mehr geschadet als geholfen. Sie finden ihren Tod im benachbarten Ausland wie Kanada oder Mexiko und müssen Schlachttransporte unter katastrophalen Bedingungen durchstehen. Denn immer noch 60 Prozent der Pferde, die in Kanada geschlachtet werden, stammen aus den USA; in Mexiko sind es sogar 80 Prozent. Unser Filmmaterial beweist, dass die Pferde auf tierquälerische Weise transportiert werden. Bei den Verladungen werden sie mit Stöcken geschlagen oder von Hunden gebissen. Verletzte und kranke Tiere werden nicht medizinisch versorgt und auch transportunfähige Pferde werden verladen», erzählt Sabrina Gurtner. Die Lastwagen haben teilweise kein Dach – die Tiere sind stunden- bis tagelang der Hitze oder Kälte ausgeliefert, sind so zusammengepfercht, dass sie von Artgenossen zu Tode getrampelt werden. «Wir zählten bis zu 35 Pferde pro LKW.» Die Vorschriften für die Länge der Transporte sind miserabel: In den USA dürfen Pferde bis zu 28 Stunden, in Kanada und Argentinien gar bis zu 36 Stunden ohne Wasser, Nahrung oder Ruhepausen transportiert werden. Völlig erschöpft, verletzt oder tot kommen sie im Schlachtbetrieb an, wo sie unter Umständen nochmals Wochen bis zur Schlachtung verharren müssen.“
Dies ein Artikel aus 2013 – er könnte heute wohl 1:1 übernommen werden. Wie können wir nur so etwas einem anderen Lebewesen antun? Jede Person mit ein wenig Vorstellungsvermögen müsste beim Lesen erschaudern. Aber es ist noch nicht fertig.
„Um in die Schweiz oder in EU-Länder zu exportieren, müssen die Schlachtbetriebe im Grunde zwei Kriterien erfüllen. Die Zulassung bezieht sich lediglich auf die Schlachtung und auf die Sicherheit des Fleisches bezüglich Lebensmittelhygiene und Rückstände, die für Menschen gesundheitsschädlich sind. Die Bestimmungen zur Haltung vor der Schlachtung oder zu Schlachttransporten haben ausserhalb der EU keine Bedeutung. Trotz EU-Zulassung zeigen Aufnahmen, dass nicht einmal die Schlachtung mit rechten Dingen zu und her geht: Viele Pferde werden fehlbetäubt und müssen mehrfach geschossen werden, bis sie bewusstlos sind. Teilweise gibt es keine für Pferde konzipierten Betäubungsboxen. Blutverschmierte und rutschige Böden sowie der Einsatz von Elektrotreibern, Peitschenschläge auf den Kopf oder zwei Pferde zusammen in der Betäubungsbox wurden mehrmals gesichtet und dokumentiert.“
Wie kann die „EU“ (als Kommission, Parlament, Rat) – und somit wir alle – solche Praktiken akzeptieren? Wir sprechen so sehr von Werten und Grundfreiheiten. Ist das Recht auf einen respektvollen Umgang kein Recht für Lebewesen? Nur für solche, die auf zwei Beinen und vertikal laufen? Achtung, denn dann sind Affen wohl an der Grenze. Haben Tiere unterm Strich keine Rechte, ist es etwa das? Wie können wir uns als Menschen bezeichnen, wenn wir kein Mitgefühl mit einem anderen Lebewesen haben und bei solchen Handlungen wegschauen oder einfach sagen „Sie sind dafür auf die Welt gekommen“. Ich schäme mich zutiefst als Mensch bezeichnet zu werden, wenn ich solche Dinge höre, lese und sehe. Noch mehr schäme ich mich, weil ich nichts tue, um das zu unterbinden. Ich schreibe hin und wieder einen Artikel und unterzeichne Petitionen, aber das Elend geht weiter. Die „menschliche“ Vorstellungskraft, um Tieren Grausames anzutun ist grenzenlos. Wäre schön, wenn es für den liebe- und respektvollen Umgang genauso ins Unendliche reichen könnte. Verzeihen Sie mir diese Ausschweifungen, aber manchmal läuft die Vase über. Zu viele unter uns sind wie die berühmten drei Äffchen „Ich höre nichts, ich sehe nichts und ich sage nichts“. Da gibt es wohl aber noch ein viertes Affele, „ich tue nix“.
Aber lassen Sie mich bitte den Punkt zu den EU-Standards noch einmal aufgreifen, der auch in einem Webinar der Intergroup for Welfare and Conservation of Animals des Europäischen Parlamentes kürzlich angesprochen wurde. Anscheinend ist bekannt, dass die Kontrollen der EU in solchen „grausamen Produzentenländern“ angekündigt werden. Somit können die Auditoren leicht hinters Licht geführt werden. Welches Signal sendet man somit als europäischer Importeur diesen grausamen Herstellerländer, wenn wir nicht einmal Standards anwenden, die effektiv helfen, diesen das Handwerk zu legen? Klammer zu und Webseite auf, sollten Sie etwas mehr über die Recherchen von Eurogroup for Animals zu Pferdefleisch wissen wollen.
Ein weiterer interessanter Aspekt: in Großbritannien beispielsweise ist Pferdefleisch eher ein Tabu, denn das Pferd wird irgendwie dem Hund und der Katze gleichgestellt und ein Haustier isst man normalerweise nicht (mit Ausnahmen, wie wir bereits sehen konnten – Bernhardinerhunde in gewissen Fällen in der Schweiz, Hunde und Katzen in Asien, etc.). Aber gestatten Sie mir eine kindische Frage: in dem Moment, wo ein Besitzer seinem Lamm oder seiner Kuh einen Namen verpasst und tagtäglich Umgang mit ihnen hat, wenn das Zicklein womöglich mit der Flasche aufgezogen werden musste und wenn der Bauer vielleicht sogar bei der Geburt des Kalbes mitgeholfen hat, wo ist da der große Unterschied zum Haustier „Hund“ und „Katze“? Ja, ich weiß, Haustier und Nutztier. Eines der beiden verdient Liebe und Zuneigung und Respekt, das andere spielt Lotto, wenn es auf die Welt kommt: manchmal gewinnt man, aber in der Regel verliert man.
Hier geht es übrigens zu einer Seite, wo über dieses „Tabukonzept“ berichtet wird. Pferdefleisch könnte demnach zu einer Alternative für Rind- und Schweinefleisch werden, wenn es billiger als diese wäre. Interessant, nicht wahr? Übrigens, unser geliebter Black Beauty landet hin und wieder auch in den Hundefleischdosen, das konnte laut demselben Wiki-Artikel auch schon in Erfahrung gebracht werden (so zum Beispiel in Texas) „In Texas gibt es zwei große Pferdeschlachthöfe, die das Fleisch fast ausschließlich ins Ausland liefern; ein Teil wird zu Hundefutter verarbeitet.“
Besonders interessant finde ich diese Ausführungen zur Entwicklung des Skandals aus dem Jahre 2013:
„Seinen Anfang nahm der Skandal am 15. Januar 2013 im Vereinigten Königreich, wo für Pferdefleisch ein Nahrungstabu besteht. Auch in Irland wurden Produkte mit Pferdefleisch-Anteilen gefunden. Am 7. Februar 2013 gab das Unternehmen Findus bekannt, dass in einer Stichprobe von 18 Packungen Fertig-Lasagne, die ins Vereinigte Königreich und nach Schweden gelangten, elf zwischen 60 und 100 Prozent Pferdefleisch enthielten. Hersteller war in diesem Fall das französische Unternehmen Comigel. Diese bezog gehacktes Rindfleisch von der französischen Firma Spanghero, die das Fleisch vom zypriotischen Händler Draap Trading erwarb. Dieses Unternehmen steht im Eigentum einer auf den Britischen Jungferninseln ansässigen Gesellschaft und wird von einem Niederländer geführt, der bereits 2012 zu einer Haftstrafe wegen des Verkaufs von südamerikanischem Pferdefleisch als Halāl-Rindfleisch verurteilt worden war.“ („Halāl „ ist ein arabisches Wort und kann mit „erlaubt“ und „zulässig“ übersetzt werden.)
Welcher Prüfer kennt sich hier noch aus?? Es kommt aber noch schöner. Besonders besorgniserregend, aber auch niederträchtig finde ich diese Überlegungen:
„Neben ethischen Problemen wurde anfangs auch insbesondere befürchtet, dass mit dem Pferdefleisch Medikamente in die Lebensmittel gelangt seien, falls es sich um verwertete Sportpferde gehandelt haben sollte (die nicht den strengen Kontrollen für Schlachttiere unterliegen).“ (Quelle: Wikipedia)
Das bedeutet, dass ethische Fragen, Tierliebe usw. zwar Mitleid in uns regen können, aber so richtig skandalisiert reagieren wir wohl erst, wenn es ums Eingemachte geht: also um unsere Gesundheit.
Diesen Punkt beschreibt dieser Beitrag in Die Zeit „Das Ross, das arme Schwein“ sehr treffend.
„Warum also jetzt die große Erregungs- und Empörungswelle? Sicher: Die Hersteller von Tiefkühl-Lasagne, die statt teureren Rindfleischs Teile von Pferden verwendeten, haben Etikettenschwindel betrieben, man könnten sagen: Sie handelten als Rosstäuscher. Der Verbraucher hat aber ein Anrecht, zu wissen, was er isst. Das gilt erst recht, wenn das Pferdefleisch tatsächlich aus finsteren Abdeckereien stammte und mit Rheumamitteln oder Ähnlichem vergiftet war.“
Hier ein Beispiel, denn es muss ja auch so richtig greifbar sein, wenn es glaubhaft sein soll (eigene Übersetzung):
Auch Italien ist in den Pferdefleischskandal verwickelt, womit sich die Zahl der in diese Affäre verwickelten Länder auf 20 erhöht*. Der multinationale Konzern Nestlé hat Ravioli und Tortellini mit Rindfleisch unter der Marke Buitoni aus den italienischen und spanischen Regalen zurückgezogen, eine der vielen Firmen, die dem Lebensmittelriesen gehören. Bei den zurückgerufenen Chargen mit einem Verfallsdatum bis zum 8. April 2013 handelt es sich konkret um „I Ravioli di Brasato Buitoni“ und „I Tortellini di Carne“ (siehe Tabelle unten), beide hergestellt mit Rohstoffen der deutschen Firma H.J. Schypke. Die durchgeführten Tests, fanden Spuren von Pferde-DNA, in den beiden Präparaten, die nur Rindfleisch deklariert. Um genau zu sein, liegt der Anteil an Pferdefleisch in Dutzenden von Produkten, die in anderen Ländern vom Markt genommen wurden, zwischen 40 und 60 %, und auch im Fall von Buitoni sollte der Anteil in den italienischen Tortellini in diesem Bereich liegen.“
Und weiter:
„Laut der Pressemitteilung von Nestlé gibt es „keine Auswirkungen auf die Gesundheit oder die Lebensmittelsicherheit“, dennoch ist nicht klar, warum Pferdefleisch verwendet werden soll, ohne es zu deklarieren, wenn man bedenkt, dass der Preis höher ist als der von Rindfleisch: Im Supermarkt kostet das Filet 29 € pro kg und die Lende 20 €.
Was die Gesundheitsbehörden beunruhigt, ist nicht der kommerzielle Betrug (Austausch von Pferdefleisch mit Rindfleisch), sondern die Verwendung von Pferdefleisch von Tieren, die als nicht für die Lebensmittelproduktion bestimmt eingestuft sind (nicht DPA). Der Fund von Spuren von Phenylbutazon in mehreren Fleischkadavern (nicht der Fall bei Produkten, die in Italien verkauft werden) deutet jedoch auf eine tatsächliche Invasion des Feldes hin. Phenylbutazon ist ein schmerzstillendes und entzündungshemmendes Medikament, das häufig bei Sport- und Rennpferden eingesetzt wird, deren Fleisch auf keinen Fall in die Nahrungskette gelangen darf. Unseren Quellen zufolge ist es sogar in Italien gängige Praxis, italienische Sportpferde am Ende ihrer Karriere nach Rumänien zu schicken, wo sie geschlachtet und dann in Form von Hackfleisch betrügerisch wieder in die Nahrungskette eingeführt werden.“
Effektiv ja, Sportpferde aber auch Privatpferde, die ihren Besitzern gestohlen werden, landen somit nicht selten in unsere Pfanne – oft, ohne dass wir es ahnen. Hier und hier einiges dazu zum Nachlesen, wir stellen uns manchmal nicht vor, woraus bestimmte Gerichte bestehen.
Die Tatsache, dass Pferde gestohlen werden, um die Nachfrage aus dem Ausland zu decken, ist in Argentinien und Australien nicht selten. Dies wurde unter anderem im vorhin genannten Webinar der Intergroup on the Welfare and Conservation of Animals vom 08. März klar und deutlich verkündet. Die Präsentationen der Vortragenden (Animal Welfare Foundation, Coalition for the Protection of Racehorses, Animals‘ Angels und Eurogroup for Animals) sind auf der Webseite abrufbar, sehr interessant, denn jene Bilder sagen auf jeden Fall viel mehr als tausend Worte.
Besonders erschreckend finde ich die Zahlen zur Schlachtung von Rennpferden (Slide Nummer 12 Präsentation Elio Celotto Coalition for the Protection of Racehorses) (übersetzt aus dem Englischen):
2-JAHRES-UNTERSUCHUNG 2018-2019
- 57 % aller Pferde waren Rennpferde
- Von den untersuchten Rennpferden hatten 9,7 % in den letzten 30 Tagen Rennen bestritten
- 27,7% hatten in den letzten 6 Monaten Rennen bestritten
- 15% aller Pferde waren ehemalige Rennpferde, die in den letzten 6 Monaten Rennen bestritten hatten und sehr wahrscheinlich waren Rückstände an Medikamenten vorhanden
Noch einmal: (illegaler) Pferdefleischkonsum ist nicht etwas, das irgendwo anders auf der Welt von Statten geht und uns also nicht betrifft. Laut dem vorhin genannten Bericht von Eurogroup for Animals hier eine Übersicht zu Import/Exportländern:
- Argentinien für die Niederlande, Belgien, Italien, Frankreich, Finnland
- Uruguay für die Niederlande, Belgien, Frankreich
- Kanada für Frankreich, Finnland, die Niederlande, Luxemburg, Belgien
- Australien für Belgien, Frankreich
Diese Aussage fand ich besonders scharf: „Pferdefleisch kann nicht einfach verboten werden, da EU-Länder es ebenfalls produzieren. Allerdings sollte grausam produziertes Pferdefleisch, unabhängig von seiner Herkunft, verboten werden. Darüber hinaus gelten derzeit nur EU-Schlachtstandards, die nicht immer richtig umgesetzt und durchgesetzt werden. Tierschutzstandards während des Transports und strengere Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit sollten ebenfalls angestrebt werden.“ Das klingt meines Erachtens fast so, als würde man sich irgendwie damit abfinden: die EU-Standards werden halt einfach nicht so richtig umgesetzt und durchgesetzt – wozu gibt es dann überhaupt Standards? Ist es zum Schluss so, dass diese Tierwohl-Standards zuliebe von Wirtschaftsinteressen auf der Strecke liegen bleiben? Warum frage ich noch?
Das ist aber nicht alles. Während des genannten Webinars wurden aber auch erschreckende Aussagen gemacht (Präsentation von Sabine Gurtner von Animal Welfare Foundation) (aus dem Englischen übersetzt) – und ich will sie eigens hier einzeln anführen:
- Viehanhänger ohne Dach
- Fahrzeuge, die ein hohes Verletzungsrisiko darstellen
- Sehr lange Transportwege (>1.000 km)
- keine Versorgung mit Wasser und Futter
- keine Trennung in Einzelboxen
- Transport von untauglichen Pferden
- keine Nottötung beobachtet
- ziehen von Pferden aus Lastwagen mit Ketten
- leidende Pferde werden ohne Hilfe zum Sterben zurückgelassen
- gewaltsame Behandlung durch inkompetentes Personal
- keine medizinische Versorgung für Tiere in Not
- schlammige Pferche ohne saubere und trockene Ruhebereiche
- Verletzungsgefahr: Zäune, rutschige Böden, etc.
- Kennzeichnung mit Ohrmarken kurz vor der Schlachtung
- Die Rückverfolgbarkeit hängt von der Richtigkeit der Angaben der Besitzer ab
- Nicht identifizierte/unmarkierte Pferde gelangen in die Nahrungskette
- Manipulation von EU Audits
- Schlachthöfe bereiten sich auf angekündigte Audits
- Provisorische Unterstände werden gebaut
- Verletzte, kranke und abgemagerte Pferde werden entfernt
- nur gesunde Tiere mit Ohrmarken verbleiben, wenn überhaupt
Diese Liste war zu lang? Ich kann Ihnen versichern, dass das Leiden dieser Tiere viel länger und unangenehmer ist.
Die Transport-, Zucht- und Schlachtbedingungen entsprechen also in keiner Weise den EU-Standards. Und trotz allem importiert die EU weiterhin dieses Fleisch. Klarerweise, solange Nachfrage besteht, wird auch angeboten. Es ist ein drastisches Umdenken notwendig.
Eine der besten Aussagen war „Die EU glaubt, es wäre besser den Dialog weiterzuführen, als Einfuhrverbote zu verhängen“. Die Vermutung ist, dass diese Untätigkeit sehr stark von den Abkommen mit diesen Ländern gefördert wird. In diesem Fall das Mercosur-Handelsabkommen.
Irgendwie ist das eine Art „Deja vu“… In der Folge des 2013er-Skandals wurde „von der EU-Kommission verkündet, dass Maßnahmen getroffen werden und die Deklarationspflicht verschärft werde, um Missbräuche leichter verhindern zu können. Im Herbst 2013 stellte die EU-Kommission aber fest, dass eine zusätzliche Herkunftsbezeichnung das Fleisch bis zu 50 Prozent zu Lasten der Konsumenten verteuern würde und sie sich daher gegen eine detailliertere Herkunftsbezeichnung ausspreche.“ (Quelle: Wikipedia)
Klingt eigentlich ganz überzeugend: besser weitermachen wie bisher und hin und wieder den bösen Drittländern auf die Finger hauen, aber nicht zu fest. Diebstahl – Ich weiß nicht, wie viele unter Ihnen ein Pferd besitzen oder wie viele von Ihnen jedes Wochenende mit den Kindern in den Reitstall pilgern, bei Sonne, Regen, Schnee und Eis, denn dort wartet das Lieblingspony. Können Sie sich vorstellen, dass eines Tages dieser geliebte Vierbeiner verschwunden ist? Besonders herzzerreißend finde ich in diesem Zusammenhang diese Erzählung – sie kann vielleicht dem einen oder anderen unter uns etwas einen Fehler ersparen.
Sowie auch diese Quelle.
Besonders hart finde ich die Berichte über die Misshandlung und Tötung von Renn- und anderen Sportpferden, die nicht mehr verwertbar sind. Hier einiges dazu zum Nachlesen:
Skandal im australischen Pferdesport: Tausende Pferde gequält und geschlachtet
Recherchen von ABC: Massenhaftes Schlachten von Rennpferde schockt Australier
Vom Hunger getrieben: Diebe klauen und schlachten Spitzen-Rennpferd
Wie wir gelesen haben, ging uns der Skandal von 2013 besonders unter die Haut, denn sogar manche Fleischverzehrer empfanden das Essen von Pferdefleisch schließlich als unangenehm. Dieser Artikel hier spricht kurz und bündig genau diesen Punkt an und hat auch noch eine Überraschung für Äpfel-Fans …
„Wer angesichts des aktuellen Pferdefleischskandals beschwichtigen möchte, mag betonen, es gebe keine Hinweise, dass das Essen von Pferdefleisch für den Menschen ungesund ist. Doch viele Verbraucher dürfte das kaum beruhigen. Sie fühlen sich hintergangen und empfinden das Essen von Pferdefleisch als eklig.“
Aber ich kann mich nur fragen, mit all den Berichten, Nachforschungen, Zeitungsartikeln, Aufschreien und Vermutungen, was hat sich bisher wirklich geändert? 2015 hatte Eurogroup for Animals bereits einen erschreckenden Bericht veröffentlicht (siehe unten), fünf Jahre später wieder. Was wird dann in fünf Jahren sein? Copy – paste??
Was können ich, Sie, wir tun? Zunächst können wir diese Petition unterzeichnen, es ist immerhin ein Kleiner Tropfen, aber auch der größte Ozean besteht aus Tropfen schließ endlich. Es fehlen noch circa 26.000 Unterschriften, jede zählt!
Und dann würde ich sagen, reden Sie darüber mit Bekannten, Familie und Freunden, vor allem den jüngeren.
Das alles muss bekannt werden, nur Empörung und Umdenken können den Pferden, aber auch anderen Tieren das Leben retten. Wie wir sehen, reicht es nicht, das Etikett zu lesen, wir müssen uns fragen „Was steckt wirklich dahinter?“ – Danke IAMA
Titelbild: Wilde Horses by Michelle Bender CC BY-NC-ND 2.0 via FlickR
Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.
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