Von Frederik D. Tunnat
(Aktualisierung und Ergänzung am 10.02.2025)
Aktuell geht das Statistische Bundesamt mal wieder, wie alle Jahre, mit einer auf den ersten Blick überaus bedrückenden, fortgeschriebenen Statistik hausieren. Da heißt es: „Etwa ein Fünftel der Bevölkerung in Deutschland ist weiterhin von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. So gab es im vergangenen Jahr rund 17,6 Millionen Betroffene. Der Anteil betrug demnach 20,9 Prozent und lag damit leicht unter dem Wert für 2023 mit 21,3 Prozent. Auch in den Vorjahren lagen die Werte auf einem ähnlichen Niveau“.
Als mitfühlender, sozial handelnder Mensch brachten und bringen derartige Meldungen meinen Puls auf 180, meine Empörung steigt zum Zerbersten, ich war und bin entsetzt, doch zugleich treibt mich, je älter und „weiser“ ich werde, die Frage um, ob oder inwieweit man Statistiken wie der zitierten vertrauen kann, darf?
Als viele Jahre in unternehmerischer Verantwortung für Mitarbeiter und Unternehmen stehend, verfüge ich über umfassende persönliche Erfahrung mit der Auswertung, Erstellung und Nutzung aller möglichen Arten von Statistik. Viele betriebswirtschaftliche Daten und Zahlen werden zur Steuerung, Überprüfung und Optimierung bei der Unternehmensleitung heran gezogen. Wiewohl eine Menge dieser Zahlen korrekt, also nicht interpretierbar sind, entscheidet die Art und Weise, wie, durch wen sie zu welchem Zweck erhoben und zusammengestellt werden, letztlich darüber, ob eine Statistik und wenn ja, welche Aussagekraft besitzt. Es war mir beispielsweise mühelos möglich, ohne Zahlen manipuliert zu haben, Ausgaben so zu steuern, dass sich die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen in exakt jenem Bereich bewegten, der als Ziel vorgegeben war und sich im Profit äußerte. Der Trick, den ich anwandte, wird tagtäglich in Millionen Büros und Chefetagen genutzt, besonders gern und ausgiebig von Behörden. Die Manipulation liegt darin, bereits bei der Planung des Budgets, bestimmte Posten zu großzügig zu planen. Statt genau zu rechnen und zu kalkulieren, wird Pi mal Daumen veranschlagt, um so einen finanziellen Puffer in sein Budget einzubauen, um später ausreichend Manövriermasse zu haben, die Ausgaben wie den Ertrag zu steuern. Dadurch entstehen statistische Spielräume von geplanten, aber nicht durchgeführten Ausgaben, die die Kennzahlen in positiver Weise aufhübschen. Während Behörden diese nicht getätigten Ausgaben gern aufs nächste Budget vortragen, sprich sich größere Ausgaben- und Gestaltungsfreiheit verschaffen, funktioniert das Ganze in der Privatwirtschaft ähnlich: nicht verwendete Ausgaben erhöhen letztlich reich rechnerisch das Ergebnis. Denn die Profitabilität steigt auf dem Papier, wenn Ausgaben reduziert werden. Der statistische Trick: man hat von Beginn an gar nicht vor, so viel Geld auszugeben, wie offiziell geplant. Und voila, auf wundersame Weise erreicht man mühelos den vorgegebenen Profit, mit anderen Worten die Zahlen, die als Erfolg gewertet werden, die Höhe des erfolgsabhängigen Einkommens eines Managers bestimmt. Zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, indem man Zahlen und damit Statistik „phantasievoll“ verwendet.
Wiewohl ich dem altehrwürdigen Statistischen Bundesamt in keiner Weise Betrug oder bewusste Manipulation vorwerfe, so hege ich, je älter ich werde, über je mehr Informationen aus diversen Quellen ich verfüge, um so größere Zweifel am tatsächlichen Gehalt obiger Statistik, die aussagt, knapp 21% von Deutschlands Bevölkerung seinen bereits arm oder akut von Armut bedroht.
Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich mit gesellschaftlichen Unterschieden, mit unterschiedlichen Einkommen, unterschiedlicher Schichtzugehörigkeit, unterschiedlichem Reichtum. Unabhängig des Wahrheitsgehalts einzelner Statistiken und ihrer Datenbasis, ist unbestreitbar, dass unsere Gesellschaft finanziell, gesellschaftlich und sozial auseinander driftet. Mit anderen Worten: tatsächlich sind innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre mehr Menschen ärmer geworden – nicht nur statistisch – und eine geringere Menge ungleich reicher. Doch bereits beim Heranziehen der unterschiedlichen Methoden und Wege, derartige Statistiken zu erstellen, die Armut und Reichtum messen, existieren enorme Unterschiede, folglich erheblich abweichende Aussagen und Ergebnisse. Dank der präzisen Erfassung der Einkommen aus abhängiger Beschäftigung sind wir, sowie unsere Statistiker, relativ gut darüber informiert, was Deutschlands Arbeiter und Angestellte verdienen – zumindest im statistisch errechneten Mittel – doch alles statistische Material reicht nicht aus, um die Vermögen der Reichen auch nur annähernd genau zu beziffern, geschweige denn, individuell zuzuordnen. Die Statistiker behelfen sich dann mit Schätzungen. Da reiche und superreiche Menschen zahlreiche Möglichkeiten haben, Steuerzahlungen zu reduzieren oder ganz zu vermeiden, versagt all der betriebene statistische Aufwand des Statistischen Bundesamts. Wir können nicht genau feststellen und sagen, wie viel Steuern sehr reiche Menschen zahlen, wie viel sie besitzen, was sie besitzen, wo sie es besitzen usw., da da ist das Steuergeheimnis vor.
In Dänemark und Schweden, sowie in Finnland und Norwegen, existieren die in Deutschland gehüteten Geheimnisse nicht. Alle relevanten Daten über jeden Bürger sind einsehbar und online verfügbar. Es existieren Online-Portale, auf denen man Informationen über das Jahreseinkommen und die gezahlten Steuern findet, über die Tatsache an der spezifischen Adresse als Eigentümer oder Mieter zu wohnen. Es finden sich Informationen, ob man ein oder mehrere Autos besitzt, ob diese neu oder älter sind. Mit anderen Worten, in Skandinavien sind alle Bürger gleich, und man weiß voneinander ob und wieviel man besitzt. Das Erstaunliche daran: die Statistiken weisen aus, dass das Vermögensgefälle zwischen den Armen und Reichen weniger als 1 zu 10 ausmacht, zumindest statistisch betrachtet. In Deutschland und den USA dagegen beträgt das Verhältnis 1 zu ein paar Hundert, sprich die Gesellschaft ist sozial deutlich ungleicher, als in Skandinavien.
Interessanterweise weisen mehrere EU Statistiken diese signifikanten Unterschiede nicht aus. Sie sind eher in den OECD Statistiken abzulesen, die den Gini-Koeffizient nutzen. Doch mir persönlich behagen Gini Statistiken nicht, da sie zwar für Statistiker ihren Wert haben, dem einfachen Bürger jedoch wenig helfen. Um die Daten und Statistiken der skandinavischen Länder zu verstehen, muss man sich in deren nationale Statistiken vertiefen, sowie deren Daten selbst so aufbereiten, damit sie entweder mit EU Statistiken oder nationalen in Deutschland oder Litauen vergleichbar werden. Ein Aufwand, den kaum jeder Bürger betreiben kann und möchte. Weshalb EU Statistiken und nationale, obwohl sie beide die gleiche Datenbasis nutzen, unterschiedlich aufbereitet werden und daher teils sehr unterschiedliche Aussagewerte aufweisen, ist mir nicht klar. Es bestärkt mein Unbehagen mit dem Statistik-Unwesen. Schließlich geben wir Steuerzahler gezwungenermaßen dreistellige Millionenbeträge jährlich aus, um die vielen Statistiken zu erstellen, um dafür etwas zu erhalten, dessen Aussagekraft fragwürdig bis widersprüchlich ist.
Bei dem ärmeren Großteil der Bevölkerung verhält es sich hinsichtlich Steuergeheimnis und steuerlicher Gestaltung völlig anders. Arme können nicht phantasievoll ihre Steuerzahlungen gestalten – denn da gibt es nichts zu gestalten. Da herrschen Tabellen vor, die besagen, wie viel Steuer bei welchem Einkommen fällig werden. Rums, bums, fertig.
Doch es existiert auch beim vermutlich weniger begüterten Bevölkerungteil ein nicht geringer Graubereich, den weder die offizielle noch die inoffizielle Statistik durchdringen kann. So ist zwar unseren Statistikern bekannt, wie hoch die durchschnittlichen Renten und Pensionen sind, nach deren Beträgen sie Rentner und Pensionäre in arm, nicht arm, reich einteilen, doch ob und was der einzelne Rentner oder Pensionär nebenbei noch besitzt oder erhält, darüber herrscht großes Schweigen, rabenschwarze Unkenntnis.
Ich erwähne dies im Zusammenhang mit obiger Statistik, falls die Zahlen denn in der Realität so dramatisch wären, wie diese Statistik suggeriert, damit unsere Politiker und Parteien veranlasst ihre Programme zu stricken und Maßnahmen bzw. Gesetze zu beschließen um gegen die statistisch ausgewiesene Armut vorzugehen. Doch ich weiß – anders als die Länder- und Bundesfinanzminister und Statistiker – von einer repräsentativen Anzahl Menschen, die von obiger Statistik als arm bzw. armutsgefährdet eingetütet werden – also eine geringe Pension oder Rente beziehen, doch auf die eine oder andere Art und Weise (Erbe, Spekulation, Sparen, Investieren) es vermochten, ein gewisses Vermögen, das Statistiker in Händen der reicheren 50% der Bevölkerung verorten, anzusammeln, was sie, obwohl statistisch, laut zitierter Statistik, von Armut betroffene oder Armutsgefährdete Rentner sind, damit gar für soziale Wohltaten des Sozialstaats berechtigt, obwohl es sich um Menschen mit Vermögen plus einer mickrigen Rente oder Pension handelt. Erstaunlicherweise konnte ich trotz intensiver Suche noch nie eine Statistik finden, die diese, gemäß meiner Berechnungen und Schätzung gar nicht allzukleine Bevölkerungsgruppe ausweist, ihre Anzahl kennt. Statistisch ist sie in den ominösen 21% Armen enthalten, die uns zu recht empören und speziell linke und sozial denkende Politiker motiviert, an geeigneten Gegenmaßnahmen zu stricken.
Ich kann und will hier nicht aus dem Nähkästchen plaudern, indem ich Namen, Ross und Reiter nenne, die mir als derartige „Grenzfälle“ bekannt sind, denn das würde nicht nur gegen Datenschutz, Steuergeheimnis und vieles mehr verstoßen, sondern vielen Betroffenen unangenehm sein. Dennoch gehe ich, als ein Mensch der mit der Erstellung von Statistiken vertraut ist und die Bedeutung von Stichproben kennt, davon aus, dass geschätzt höchsten bis zu 10% der statistischen Gruppe der 21% Armen und Armutsgefährdeten tatsächlich angehören. Also real vermutlich etwa die Hälfte.
Außerdem erfasst die zitierte Statistik die sich seit Jahren vermehrende Zahl ausgewanderter Deutscher nicht. Darunter natürlich nicht wenige, die über ausreichendes Vermögen und/oder Einkommen verfügen, um sich ein Leben im Ausland leisten zu können. Allerdings hat sich in den letzten 10 bis 15 Jahren verstärkt auch eine Gruppe von Rentnern im Ausland niedergelassen, die dies nicht tat, weil sie zu viel Geld haben, sondern sich Deutschland buchstäblich nicht mehr leisten können. Diese, inzwischen in einige hunderttausend gehende Gruppe im Ausland lebender Deutscher, arme wie reiche, wird nur teilweise oder gar nicht durch die entsprechenden Statistiken erfasst, da ihre Zusatzeinkünfte nicht in Deutschland, sondern im jeweiligen Wohnsitz-Ausland versteuert werden.
Mit anderen Worten: ich halte die obige Statistik, die uns glauben macht, dass mittlerweile jeder fünfte Deutsche in Armut lebt oder von akutem Armutsrisiko betroffen ist, für relativ ungenau und damit irrelevant. Auf Basis derart schwammiger, unpräziser Daten den Bedarf an Unterstützung für die tatsächlich überaus Armen zu planen, Gesetze zu verabschieden, sowie einen wiederum statistisch „ermittelten“ realistischen Bedarf (Hartz IV, Bürgergeld) zu ermitteln, gleicht in Deutschland eher Kaffeesatz-Leserei oder einem Münzwurf, denn wissenschaftlicher Begründung und Begründbarkeit.
Nicht nur die Armutsstatistik in Bezug auf Deutschland bezweifle ich, sondern auch nahezu sämtliche entsprechenden EU Statistiken. Wenn man wie ich binnen der vergangenen 30, 35 Jahre in verschiedenen EU Ländern lebt bzw. gelebt hat, hat man persönliche Erfahrung hinsichtlich der Lebenshaltungskosten, Mieten, Nebenkosten, Steuern, Abgaben etc. Mit enormem bürokratischem Aufwand und entsprechenden Kosten erstellt die EU Statistikbehörde, ebenso wie die nationalen Statistikbehörden, eine Unmenge vergleichender Statistiken zu Lebenshaltungskosten, Armut und Vermögen. Wenn ich die teils monatlich, teils jährlich aktualisierten Statistiken lese und auswerte, die unter anderem den Reichtum wie die Armut (wealth and poverty) innerhalb der EU vergleichen, oder die Lebenshaltungskosten und Inflation, so fallen mir nachweislich bestehende Differenzen zur realen Situation in denjenigen Ländern auf, deren Situation ich aus eigener Anschauung kenne.
Eine, seit Beginn der erweiterten EU permanent fortgeschriebene statistische Regel besagt beispielsweise, wie einkommensschwach und zugleich von den Lebenshaltungskosten günstiger es sich angeblich in Osteuropa im Vergleich zu Westeuropa oder Skandinavien leben lässt. Obwohl Fakt ist, dass das Lohn- und Gehaltsniveau z.B. in Litauen tatsächlich geringer ist, als in Deutschland oder Schweden, spiegeln die EU Statistiken die teils rasante Lohn- und Rentenentwicklung nicht annähernd wider. Litauen hat beispielsweise seine Renten in einem atemberaubendem Tempo an westliche Standards angepasst. Als ich mich in Litauen niederließ, lag die gesetzliche Mindestrente im Bereich zwischen 350 bis 400 Euro. Heute liegen litauische Renten bei über 700 Euro, was einer Steigerung von ca. 100% binnen nur 7 Jahren entspricht. Meine deutsche Rente wurde binnen vergleichbarer 7 Jahren um lächerliche 25% angehoben. Bei den Löhnen und Gehältern verhält es sich noch krasser: während deutsche Durchschnittseinkommen seit 15 bis 25 Jahren nahezu stagnieren, haben sie in Litauen um 150 bis 200% zugelegt.
Da Litauen eine Immobilien-Eigentumsquote von um die 90% aufweist (manche Statistik weisen 89% aus, andere bis zu 94%) und die Hauspreise binnen der letzten 12 bis 15 Jahre eine im Vergleich zu Deutschland noch schnellere Zuwachsrate hingelegt haben, verwundert mich doch sehr, dass sich diese, sowohl von der Bank von Litauen wie vier privaten Immobilienspezialisten weltweit bestätigten Daten in keiner Weise in den EU Statistiken wieder finden. Dort wird der statistische Durchschnittswert von Immobilien mit der lächerlichen Summe um die 50.000 Euro angegeben, das durchschnittliche, angebliche Vermögen der Litauer demnach mit zwischen 65 bis 70.000 Euro. Obwohl die Neubaupreise für Häuser in Litauen zwischen 250 bis 400.000 Euro und damit niedriger als in Deutschland liegen, gebrauchte Häuser für zwischen 200 bis 350.000 Euro gehandelt werden, behauptet die EU Statistik weiter (Stand 2023), das Median-Vermögen der zu über 90% Immobilien besitzenden Litauer läge 2024 bei lächerlichen 70.000 Euro. Woher die Statistiker derartig realitätsferne Zahlen nehmen, ist mir schleierhaft.
Dank der merkwürdig, auf falscher Basis erstellten EU Statistiken führt das Finanz- und Außenministerium Deutschlands eine Kaufkraft-Liste, die u.a. bei der Bemessung von Unterhaltszahlungen, Reisekosten etc. zur Anwendung kommt. Gemäß dieser völlig realitätsfernen Statistik, die sich größtenteils mit der entsprechenden EU Lebenshaltungskosten-Statistik deckt, wird suggeriert, der Lebensunterhalt in Litauen sei gut 25% günstiger als in Deutschland zu haben. Das war bis vor 10 Jahren, bevor der Euro eingeführt wurde, sicher der Fall. Seitdem haben die Preise eine speziell in Litauen eine Steigerung hingelegt, die deutsche Lebenshaltungskosten in den Schatten stellt. Bis auf sehr wenige Ausnahmen, etwa lokale Kartoffeln, Mohrrüben und gewisse Kohlsorten, die tatsächlich billiger als in Deutschland angeboten werden, sind speziell die zu großem Teil importierten Lebensmittel in Litauen im Schnitt sogar 10 bis 15% teurer als in Deutschland. Sowohl die Hauspreise als die Mieten haben die deutschen Steigerungsraten deutlich übertroffen. (Dieses Phänomen weisen die entsprechenden EU Statistiken merkwürdigerweise korrekt aus, ohne deshalb die unrealistisch geringen Vermögenswerte der wealth and poverty Statistik anzupassen) Wo also die statistisch errechneten 25% Lebenshaltungskosten weniger herkommen, erschließt sich mir absolut nicht. Für mich ist es in vielen Fällen – trotz zusätzlicher Frachtkosten – billiger, in Deutschland zu ordern und nach Litauen liefern zu lassen, als hier im Supermarkt zu kaufen. (Der Irrsinn geht so weit, dass es weit günstiger ist, selbst die Nahrung für Hund und Katze nebst Streu, allesamt schwere Güter mit hohen Frachtkosten, aus D. schicken zu lassen, denn sie hier im sündhaft teuren Tierhandel zu kaufen) In den Baumärkten das gleiche Preisgefälle. Alkohol ist hier gewollt signifikant teurer als in Deutschland, ca. um 25 bis 30%. Restaurants in Vilnius sind fast 50 bis 100% teurer als solche in Berlin. Brot, Obst, Gemüse kostet zwischen 10 bis 30% mehr als in Deutschland. Selbst die früher günstigeren Nebenkosten haben nach der Pandemie und dem Ukrainekrieg deutlich angezogen. Gas kostet inzwischen 50% mehr als in Deutschland, Strom ungefähr genausoviel. Wie daher Statistiker nach wie vor behaupten können, in Litauen zu leben sei 25% günstiger als in Deutschland, kann ich aus persönlicher Erfahrung nicht nachvollziehen. Ich kann mich in Deutschland günstiger mit fast allem eindecken, als hier. Der einzige Vorteil liegt in den hiesigen geringeren Steuersätzen, sowie darin, dass es eine Reihe von Gebühren und Steuern, die in Deutschland anfallen (TV Zwangsabgabe, Schornsteinfegergebühr), hier bisher noch nicht gibt. Doch die EU zwingt die litauische Regierung permanent, neue zusätzliche Steuern und Gebühren einzuführen, was die Lebenshaltung in Litauen weiter gegenüber Deutschland verteuert, um sie dem EU Niveau anzugleichen. Was für eine irrsinnige Auffassung von vergleichbaren Lebensverhältnissen in der EU!
Weshalb unsere statistischen Behörden sowohl auf Landesebene als auch EU weit systematisch Menschen arm rechnen und osteuropäische Länder nach wie vor als arme Schlucker im Vergleich zu Deutschland darstellen, ist mir nicht klar. Sowohl hinsichtlich der EU Vergleiche, wie auch auf Deutschland bezogen, kann ich aus persönlicher Anschauung feststellen, dass die veröffentlichten statistischen Daten nicht die Realität abbilden. Da ich sowohl in Großbritannien, wie in Dänemark, Schweden, Litauen und Deutschland gelebt habe bzw. lebe, kann ich aus eigener Erfahrung und Anschauung statistisch unterschiedliche Länder beurteilen und miteinander vergleichen. Die offiziellen Statistiken spiegeln in keinem Fall, bei keinerlei Vergleich, die tatsächliche Lebenssituation im jeweiligen Land realistisch wieder. Besonders verblüffend empfinde ich, dass ich mich, bezogen auf meine persönlichen Verhältnisse, in diametral widersprüchlichen, gegensätzlichen Statistiken wieder finde. Dabei bin ich gewiss kein statistischer Sonderfall, sondern meine Situation und Status gleichen dem von einem nennenswerten Teil der deutschen/Litauischen Bevölkerung.
Was, so frage ich mich daher, sollen uns derart ungenaue, falsche, gar sich widersprechende Statistiken bringen? Sorgen sie nicht vielmehr für Verwirrung und bieten politischen Jongleuren jede Menge Interpretationsmöglichkeiten und Anlässe ihr politisches Süppchen damit zu kochen?
Das Maß voll machen aktuell all jene Statistiken, die sich mit der Zusammensetzung der Bevölkerung, also Deutschen wie Einwanderern befassen. Da werden inzwischen über 25% der Bevölkerung als eingewandert geführt. Je nach Gusto zeigen Statistiken dass Einwanderer über- oder unterproportional an kriminellen Delikten beteiligt sind. Die Wanderbewegungsstatistiken sind besonders verwirrend. Da wandern Millionen ein und aus und der Saldo ist je nach Betrachtung positiv oder negativ. Mal zeigt eine Statistik, dass wir von Einwanderern, speziell kriminellen, überrollt werden, andere weisen aus, dass wir deutlich mehr Einwanderer benötigen, um Stellen zu besetzen und Dienstleistungen aufrecht erhalten zu können.
Wir haben laut Statistik mal enorm viele Arbeitslose oder offene Stellen. Mal sind wir laut Statistik Export-Weltmeister, mal der kranke Mann Europas. Es ist schon höchst verwunderlich, was so alles an Statistiken produziert wird, und welcher Unsinn aus dem statistischen Kaffeesatz abgeleitet wird. Ich frage mich deshalb, wie es möglich sein könnte, weniger, dafür aussagekräftige und realitätsnahe Statistiken zu erstellen? Vermutlich wird das ein frommer Wunsch bleiben. Doch bis dahin bleibe ich bei meiner generellen wie speziellen Skepsis gegenüber einer Vielzahl der veröffentlichten Statistiken. Quod erat demonstrandum.
Aktualisierung und Ergänzung vom 10.02.2025:
Wie aktuelle Recherchen in Bezug auf Deutschlands Statistiken ergaben, existiert eine überaus interessante Bundesbehörde: da Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden. Die Behörde betreibt das Bund-Länder Demografie Portal.
Weshalb unsere Politiker in Bund und Ländern, sowie unsere Medien, ausschließlich Statistiken des Statistischen Bundesamtes verwenden und heranziehen, wenn es um die Armut und den Reichtum unserer Bevölkerung geht, ist mir schleierhaft. Denn besagtes Bundesinstitut hat meinen, im obigen Artikel geäußerten Bedenken und Vorbehalten gegenüber zahlreichen offiziellen Statistiken, insbesondere in Bezug auf die Armut und den Reichtum der deutschen Bevölkerung, insofern Rechnung getragen, als es Daten zum Haushaltseinkommen im Alter, also von Pensionären und Rentnern veröffentlichte. Meine Bedenken bestätigend schreibt das Bundesinstitut: „Das Gesamteinkommen von älteren Haushalten ist für viele Fragen aussagekräftiger als die individuellen Alterseinkommen, zum Beispiel bei der Debatte um Altersarmut. Niedrige Renten werden meist durch zusätzliche Einkünfte oder das Einkommen des Partners ausgeglichen“.
Damit liefert das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung exakt den Beleg für meine Vermutung, dass die Daten zur Altersarmut, wie sie durch statistisches Material des Statistischen Bundesamts erfasst und veröffentlicht werden, die Realität nicht korrekt wieder geben. Tatsächlich beweist folgende Grafik, dass es um die Alten nicht ganz so finanziell düster bestellt ist, wie die Statistik der Renten suggerieren.
Zur Erläuterung schreibt das Bundesinstitut: „Die heutige Rentnergeneration in Deutschland ist überwiegend gut abgesichert. Paare ab 65 Jahren verfügten im Jahr 2023 über ein durchschnittliches Haushaltsnettoeinkommen von 3.760 Euro je Monat. Alleinstehende ältere Männer und Frauen hatten mit 2.210 Euro beziehungsweise 1.860 Euro ein geringeres Einkommen, aber auch in der Regel weniger Ausgaben als Paare zu zweit“.
Bezüglich der kritisch zu sehenden Altersarmut heißt es: „Jeder neunte alleinstehende Mann und jede achte alleinstehende Frau ab 65 Jahren bezog ein Nettoeinkommen von weniger als 1 000 Euro im Monat. Insgesamt waren jedoch nur vier Prozent der über 65-Jährigen auf Leistungen der Grundsicherung im Alter angewiesen“. D.h., statt der schrecklichen publizierten Zahl von über 21% Armutsrentnern, haben wir es real mit ca. 11% zu tun. Dass auch 11% viel zu viele Menschen sind, wenn sie von Altersarmut betroffen wären, steht außer Frage!
Die erläuternde Erklärungssuche des Bundesinstituts, um die immer noch zu hohe statistische Anzahl Armutsrentner zu reduzieren lautet: „Das kann auch daran liegen, dass hier nur die Einkünfte betrachtet werden und Vermögenswerte nicht einbezogen sind. So wohnen in Deutschland sieben von zehn älteren Paaren und fast die Hälfte der Alleinstehenden in Wohneigentum oder mietfrei, womit geringere Wohnkosten einhergehen dürften“.
Genau das war meine im obigen Artikel geäußerte Vermutung: Rentnern mit nominal geringer Rente stehen zusätzliche Einkünfte bzw. Vermögenswerte zur Verfügung. Wirklich erstaunlich in diesem Zusammenhang, dass 70% der Rentnerpaare in eigener Immobilie wohnen, was günstiges Wohnen ermöglicht und einen nicht geringen Vermögenswert darstellt, trotz geringer Rente.
Im Umkehrschluss belegt dies allerdings auch, wie dramatisch sich zwischen den Generationen der Besitz von Wohneigentum verschoben hat und weiter negativ verschiebt!
Wenn 70% der Rentnerpaare Wohneigentum haben, wohingegen nur ca. 50% der Gesamtbevölkerung, dann beweist dies fortschreitende Ungerechtigkeit. Anders als die Boomer-Generation, der es möglich war, Wohneigentum zu bilden, ist dies heutigen jungen Menschen kaum noch möglich, mit drastischen Auswirkungen auf deren spätere finanzielle Situation im Alter.
Dass die gegenwärtige Rentnergeneration, die Pensionäre einschließt, weit geringere finanzielle Probleme hat, als zahlreiche Statistiken unterstellen, beweist folgende Einordnung des Bundesinstituts: „Auf der anderen Seite des Spektrums hat jeder dritte Paarhaushalt ab 65 Jahren ein monatliches Nettoeinkommen von über 4 000 Euro. Unter den alleinstehenden älteren Männern beziehen acht Prozent alleine ein Einkommen in dieser Höhe, bei den alleinstehenden Frauen beträgt der Anteil drei Prozent“.
Die zitierten Daten zeigen, dass Altersarmut gegenwärtig noch kein grundsätzliches Problem der aktuellen Rentnergeneration darstellt. Es betrifft eine bedauernswerte, jedoch statistisch gesehen, noch kleine Gruppe von deutlich unter 10%. Doch mittel- und speziell langfristig bahnt sich exakt jenes Problem an, dass angesichts unzureichend erstellter Statistiken bereits aktuell ein gravierendes Gegenwartsproblem sein soll.
Das Ganze beweist, dass mein Unbehagen am momentanen Statistikmaterial zu recht besteht. Werden sämtliche vorhandenen und relevanten Daten herangezogen und ausgewertet, ergibt sich ein signifikant anderes Bild von der Situation beispielsweise deutscher Rentner. Dass immerhin 58% der Rentnerpaare gegenwärtig über Einkommen zwischen 3.000 bis deutlich über 4.000 Euro netto im Monat verfügen, entspricht eher der wohl saturierten Bundesdeutschen Realität, denn die statistisch ausgewiesenen 21% Armutsrentner. Bei korrekter Gewichtung aller Daten sind es laut Statistik des Bundesinstituts 5% der Rentnerpaare, 11% der alleinstehenden Männer und 13% der alleinstehenden Frauen, die tatsächlich von Altersarmut betroffen sind. Zahlen die deutlich zu hoch sind, um sie hinzunehmen, dennoch deutlich unter denen, mit denen Panik verbreitet wird. Dass sich für künftige Rentner das Problem verschärfen wird, ist auch daran abzulesen, dass wir künftig deutlich weniger Paare im Alter antreffen werden, dafür mehr alleinstehende Frauen und Männer. Insofern: künftige deutlich steigende Altersarmut stellt den gesellschaftlichen Zusammenhalt vor ein existentielles Problem, weshalb es dringend schneller, verhindernder Maßnahmen und Gesetze bedarf. Eine weitere, abschließende Grafik zum Thema, wie sich Alterseinkommen zusammensetzt.
Titelbild: id iom CC BY-NC_2.0 DEED via FlickR
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