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Von Jürgen Klute

Mehr als 20.000 Menschen aus unterschiedlichen europäischen Ländern nahmen am 17. September 2022 am diesjährigen kurdischen Kulturfestival im Megaland-Freizeitpark im niederländischen Landgraaf teil

Wie auch in den Vorjahren gab es in diesem Jahr wieder ein internationales kurdisches Kulturfestival, zu dem sich Kurden und Kurdinnen treffen, die in verschiedenen europäischen Länder in der Diaspora leben. Viele von ihnen sind ArbeitsmigrantInnen, etliche sind aber auch aufgrund der politischen Lage in ihren Herkunftsländern – der Türkei, Syrien, dem Irak und dem Iran – nach Europa gekommen.

Bei gemischtem Wetter – zum Glück gab es nur ein kurzes, wenn auch heftiges Regenschauer – trafen sich im Megaland-Freizeitpark im recht nahe zur deutschen Grenze gelegenen niederländischen Landgraaf nach Angaben der Veranstalter rund 20.000 Menschen zu diesem Festival, das in diesem Jahr zum 30. Male statt fand.

Typisch für das Kulturfestival sind Imbissstände mit kurdischen Speisen, Bücherstände sowie Stände, die Schmuck und traditionelle Kleidung anbieten. Ergänzt wird dieses Angebot durch eine kleine Ausstellung mit nachgebauten Miniaturen von Kulturdenkmälern aus Mesopotamien und einem Zelt, dass die traditionelle Lebensweise von Kundinnen und Kurden und ihre Trachten zeigt. Auch ein Stand, der Einblick in die yezidische Kultur gibt, war vertreten.

Im Mittelpunkt steht allerdings eine große Bühne. Auf und vor der Bühne gibt es traditionelle Musik und Tanzgruppen. Die Musiker sind in der Regel Profis. Die Tanzgruppen kommen aus den verschiedenen Communities, in denen vor allem junge Menschen kurdische Tänze lernen und die musikalische Kultur aus den Herkunftsländern ihrer Eltern pflegen.

Das Kulturfestival versteht sich aber auch als eine politische Veranstaltung. Nach wie vor werden den Kurden und Kurdinnen in ihren Herkunftsländern politische Rechte vorenthalten. In Rojava, also in Nordsyrien, und im Nordirak konnten sie zwar unter dem Dach der jeweiligen Staaten eigene Verwaltungsstrukturen aufbauen. Vor allem in Rojava gelang es seit der Niederschlagung des islamischen Staates eine demokratische Verwaltung aufzubauen, die nicht allein multiethnisch geprägt ist, sondern in der auch die Gleichberechtigung der Frauen eine zentrale Rolle spielt. Während es also in Rojava gelungen ist, die Fundamente für eine neue Gesellschaftsform zu legen, sind Kurden und Kurdinnen vor allem im Iran und in der Türkei politische unter starkem Druck. Politische Verfolgung und willkürliche Inhaftierungen sind an der Tagesordnung. Und das türkische Militär greift immer wieder kurdische Siedlungsgebiete in Rojava und im Nordirak mit Luftwaffe, Drohnen und Artillerie an. Regelmäßig werden durch diese Angriffe ZivilistInnen getötet.

Nicht zuletzt hält die türkische Regierung schon seit 23 Jahren auf der Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer den Kurdenführer Abdullah Öcalan in Isolationshaft gefangen. Sowohl an Öcalan als auch an die politische Lage in den Herkunftsländern der Kurdinnen und Kurden wird auf diesem Festival erinnert. Die zentralen politischen Forderungen sind zum einen die Freilassung von Abdullah Öcaln und zum anderen die Anerkennung der kurdischen Identität und die Gewährung einer politischen Autonomie im Rahmen einer föderalen Staatsordnung, die auch anderen ethnischen und religiösen Gruppen zugute kommt.

An dem Festival nahmen des weiteren mehrere Dutzend Gäste aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft teil. Es sind Gäste, die seit langem den Kurden eng verbunden sind und sie in ihrem Kampf um politische Anerkennung und Autonomie unterstützen. Stellvertretend für alle Gäste sprach die aus Norwegen kommende Vorsitzende der EU Turkey Civic Commission (EUTCC), Kariane Westrheim, ein Grußwort in dem sie an die unmenschlichen und gegen internationales Recht verstoßenden Haftbedingungen Abdullah Öcalans erinnerte und die politischen Kernforderungen der Kurden noch einmal unterstrich:

„Das lange Schweigen von Imrali ist darauf zurückzuführen, dass Öcalan mundtot gemacht wurde, da weder seine Familie noch seine Anwälte seit 17 Monaten von ihm gehört haben oder ihn besuchen durften. Die Behandlung dieses bedeutenden Kurdenführers ist unmenschlich und grausam, und es ist unverständlich, dass das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) und der Europäische Rat (CoE) dies dies stillschweigend hinnehmen.

Wir, Ihre Freunde, appellieren an den Europarat, die Türkei für die wiederholten Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen. Wir fordern auch die USA, die EU und die NATO auf, die ungerechtfertigte militärische und politische Unterstützung für Erdogan einzustellen und stattdessen die Augen für das demokratische Potential der Kurden, ihrer Vertreter und Organisationen zu öffnen.“

Organisiert wird das Festival vom Kurdische Nationalkongress KNK mit Sitz in Brüssel. Über viele Jahre trafen sich die Kurdinnen und Kurden zu diesem Festival in Deutschland, meist in einer der größeren Städte im Bundesland Nordrhein-Westfalen. Seit ein paar Jahren findet das Festival allerdings in den Niederlanden statt. Der Grund dafür ist ein politischer. Die Bundesrepublik versteht sich seit vielen Jahrzehnten als enger Verbündeter der türkischen Regierung. Die türkische Regierung stuft die kurdischen Organisationen in Europa als PKK nahe Terrororganisationen ein. Um die guten Beziehungen zur türkischen Regierung nicht zu belasten haben die deutschen Behörden die Durchführung des Festivals immer wieder sabotiert. Deshalb wurde das Festival in die Niederlande verlagert, wo es nun zum vierten Male stattfand.

Trotz der Verlagerung versuchen die deutschen Behörden das Festival auch weiterhin zu sabotieren so weit es ihnen möglich ist. Die Busse, mit denen Kurdinnen und Kurden sich aus Deutschland auf den Weg ins niederländische Landgraaf gemacht hatten, wurden an der deutsch-niederdländischen Grenze von deutschen Beamten gestoppt. Unter den Fahrgästen befanden sich einige Personen aus deutschen Flüchtlingscamps. Sie durften nicht ausreisen und wurden von den deutschen Beamten in ihre Camps zurückbeordert. Gerade für die Menschen aus den Flüchtlingscamps wäre die Teilnahme eine gute Abwechslung von ihrem meist sehr tristen und langweiligem Leben in einem deutschen Flüchtlingscamp gewesen.

Fotogalerie

Titelbild / Fotogalerie: Jürgen Klute

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