Von Bodo Ramelow

Am 25. Juni 2023 wurde der Rechtsanwalts Robert Sesselmann im Thüringischen Landkreis Sonneberg im zweiten Wahlgang zum Landrat gewählt. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, dass ein Politiker der rechtsextremen AfD in ein solches Amt gewählt wurde. Zurecht wird in Medien und öffentlichen Debatte über die richtigen und notwendigen Reaktionen auf diesen Tabubruch 78 Jahre nach der Niederschlagung des Nationalsozialismus in Deutschland diskutiert. Unter anderem wurde eine beamtenrechtliche Überprüfung von Robert Sesselmann angekündigt. Diese Ankündigung rief unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Frankfurter Rundschau titelte am 30. Juni 2023: „Chance in Sonneberg verpasst: Verfassungs-Check für AfD-Landrat kommt laut Juristen zu spät“. Aus Sicht des Thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (DIE LINKE) kommt der Verfassungscheck hingegen nicht zu spät. Warum er das so sieht, erläutert Ramelow in dem folgenden Text.

Den Begriff „Demokratiecheck“ gibt es überhaupt nicht. Aber alle bespielen das Thema. Robert Sesselmann ist Rechtsanwalt und hat vor seiner Wahl auf die Rechtslage in seinem (einzigen) Interview in dem Naziblatt „Junge Freiheit“ sogar selbst aufmerksam gemacht.

„Das Freie Wort“ behauptete sogar am 30. Juni 2023, dass es noch nie eine Überprüfung von Landräten gegeben habe. So stand es in der Überschrift zu dem Artikel über den angeblichen Demokratiecheck.

Tatsächlich werden alle Wahlmandate immer geprüft. Sie müssen sogar geprüft werden. Ob der Kandidat wählbar ist, muß der Wahlausschuss vorher prüfen. Immer! Da sind die für das Amt notwendigen Voraussetzungen – z.B. Alter oder gerichtliche Aberkennung des aktiven bzw. passiven Wahlrechts etc. – zu prüfen. Das ist in Sonneberg selbstverständlich passiert. In mehr als einem Fall wurde bei der Prüfung rechtsextremer Kandidaten schon im Zulassungsverfahren die Wählbarkeit aberkannt. Außerdem sind bislang alle Wahlämter zum Thema Stasi-Verstrickung regelkonform überprüft worden. Jeder Landrat, jeder Oberbürgermeister und auch die Landtagsabgeordneten werden einer entsprechenden Prüfung unterzogen.

Im Falle von Robert Sesselmann geht es aber um die reguläre beamtenrechtliche Prüfung. Jeder Beamter und jede Beamtin wird einer solchen Prüfung unterzogen, wenn er bzw. sie Anlass zu einer genaueren Prüfung gibt. Dazu kann bei einem Sportlehrer ein Hinweis auf früheres Doping reichen oder bei einem Erzieher, wenn etwas mit Kindern vorgefallen ist. Der ehemalige Landrat von Gotha ist beispeilsweise wegen Regelverstößen zu Schadensersatz verurteilt und aus dem Beamtenstatus entlassen worden. Der derzeitige Oberbürgermeister von Nordhausen unterliegt gerade einem solchen Verfahren.

Die beamtenrechtliche Prüfung kann aber nur bei Beamten vorgenommen werden. Also muß der Landrat Sesselmann erst einmal die Wahl annehmen und ins Amt kommen. Erst dann wird er damit zum Beamten. Wenn er verbeamtet ist, beginnt die Prüfung, weil er Mitglied einer Partei ist, die in Thüringen vom Verfassungsschutz vor zweieinhalb Jahren als gesichert rechtsextrem eingeordnet wurde. Dagegen ist die AfD nicht gerichtlich vor gegangen. Alle Beamten haben dazu einen einschlägigen Brief bekommen und sind genau auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht worden. Bei Personen mit Waffenberechtigung (z.B. Polizei) ist diese Überprüfung sogar ausdrücklich vorgeschrieben.

Für Konsequenzen reicht allerdings die alleinige Mitgliedschaft in der AfD nicht aus. Be- oder Entlastendes muß zusammengestellt und ein rechtsstaatliches Verfahren eröffnet werden. Die beamtenrechtliche Überprüfung kann und darf der Wahlausschuss gar nicht vornehmen, sondern dies obliegt der jeweiligen Aufsichtsbehörde.

Dieser Sachverhalt ist nicht neu und auch nicht „einmalig“. Es ist bedauerlich, dass dieses rechtsstaatlich übliche Verfahren nun zerredet wird und eine angebliche Gesinnungsprüfung behauptet wird. So erzeugt man ein Opferbild für die AfD und genau das wollte Robert Sesselmann erreichen. Leider ist es ihm und der AfD bisher gelungen.

Titelbild: Hossam el-Hamalawy CC BY 2.0 via FlickR

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