Von Jürgen Klute
Der kleine Ort Lützerath im rheinischen Braunkohlerevier steht für die Auseinandersetzung um die Klimapolitik in der Bundesrepublik und für einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger. Seit dem 11. Januar 2023 spitzt sich der Konflikt weiter zu: Die Polizei hat mit der Räumung von Lützerath begonnen. Zwar sind die ehemaligen Bewohner schon vor längerer Zeit umgesiedelt worden, doch seit Monaten ist der leergezogene Ort von Klimaaktivistinnen und -aktivisten besetzt. Ziel dieser Aktion ist es, den vom Energie-Konzern RWE geplanten weiteren Abbau von Braunkohle unter der Ortschaft zu verhindern.
Zur Unterstützung der Klimaaktivistinnen in Lützerath fand am 12. Januar auch ein Brüssel eine kleine Aktion der Initiative „Lawyers for Future“ statt. Obgleich sie erst am Vortag und damit viel zu spät angemeldet wurde, hat die Brüsseler Polizei die Aktion toleriert. Mit einem Transparent und einigen Plakaten traf sich um 13 Uhr zwar nur eine kleine Gruppe vor der nordrhein-westfälischen Landesvertretung bei der EU in der Rue Montoyer, um zwei offene Briefe an den Leiter der Landesvertretung Rainer Steffens. Immerhin ist Steffens gekommen und hat die Briefe entgegengenommen und zugesagt, sie an die Landesregierung in Düsseldorf weiterzuleiten.
Einen der beiden offenen Briefe (zum vollständigen Brieftext geht es hier) hat die Gruppe der Scientists for Future am 11. Januar 2023 an die zuständigen Mitglieder der Landesregierung NRW gerichtet: Ministerpräsident Hendrik Wüst, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie Mona Neubaur und Innenminister Herbert Reul. In ihrem Brief verweisen die Wissenschaftler darauf, dass aus ihrer Sicht „substanzielle wissenschaftliche Zweifel an der akuten Notwendigkeit einer Räumung“ bestünden und dass mehrere wissenschaftliche Gutachten zu dem Schluss kämen, dass ein Abbau der Braunkohle unter Lützerath für eine technische Versorgungssicherheit und Netzstabilität nicht nötig sei. Daher fordern die Wissenschaftler ein Moratorium für die Räumung von Lützerath.
Den zweiten offenen Brief (zum vollständigen Brieftext geht es hier), der vom 10. Januar 2023 datiert, verantwortet der Arbeitskreis kritischer Juristen aus Berlin, Passau, Marburg, Leipzig und Hamburg. Er richtet sich an Bundesjustizminister Marco Buschmann, Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sowie an NRW-Innenminister Herbert Reul. Die Juristen und Juristinnen verweisen darauf, dass zum einen die rechtliche Grundlage der Räumung von Lützerath fragwürdig sei und zum anderen mit der Abbaugenehmigung das völkerrechtlich verbindliche Abkommen von Paris gebrochen werde.
In einem Statement sagte Raphael Wayland von „Lawyers for Future“, dass sie mit dieser Aktion Solidarität mit den Klimaaktivistinnen in Lützerath zeigen wollen. Die Landesvertretung Nordrhein-Westfalen sei in Brüssel der richtige Ort für diese Aktion. Denn NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sei schließlich sowohl für den Genehmigungsbescheid für den Abbau der Braunkohle unter Lützerath verantwortlich wie auch für den Polizeieinsatz.
Wayland hob weiterhin hervor, dass es mehrere Gutachten gäbe, nach denen der Abbau der Kohle nicht erforderlich sei für die Sicherstellung der Energieversorgung. Zudem könne die Kohle gar nicht nicht unmittelbar verwendet werden, sondern der üblich Aufbereitungsprozess der Braunkohle erstrecke über zwei bis drei Jahren, bevor sie in den Kraftwerken genutzt werden können. Womöglich, so Wayland, würde sie dann sogar an Dritte weiterverkauft.
Für problematisch hält Wayland, der selbst Jurist ist, dass die Bundesregierung eine Entscheidung zugunsten des Abbaus getroffen habe. Zum einen stütze die Bundesregierung sich ausschließlich auf Unterlagen von RWE und blende die kritischen Gutachten aus. Zum anderen sei die Bundesregierung laut Bergrecht gar nicht berechtigt, eine solche Entscheidung zu treffen – die obliege allein den zuständigen Landesregierungen.
Da es nach deutschem Recht Eigentümern vorbehalten ist, gegen eine solche Entscheidung der Landes- und Bundesregierung zu klagen – Eigentümer der Ortschaft Lützerath ist mittlerweile das den Braunkohle-Abbau betreibende Unternehmen RWE –, sei es wichtig und nötig, die Auseinandersetzung nicht nur auf juristischer Ebene zu führen, sondern auch auf politischer Ebene.
Weiterhin kritisierte Wayland den Ausschluss der Presse vom Ort des Geschehens. Es sei rechtlich nicht zulässig, der Presse als „vierte bzw. publikative Gewalt“ den Zugang zu verweigern. Ebenso sei der Abtransport der von den Aktivistinnen organisierten Sanitäter rechtlich zumindest kritikwürdig.
Fotogalerie
Titelbild / Fotos: Jürgen Klute CC BY-NC-SA 4.0
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