Belgische Gewerkschaften veröffentlichen „Novemberaufruf“ und kündigen einen dreitägigen Streik für den 24., 25. und 26. November an
Am 14. Oktober 2025 fand in Brüssel eine über 80.000 Teilnehmende zählen Demonstration der Gewerkschaften statt (siehe: Sie spalten, wir vereinen! – ein Beitrag mit eindrücklicher Fotoserie von der Demo). Die Gewerkschaften wenden sich vor allem gegen die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre und gegen die Befristung der Unterstützungszahlungen für Menschen, die ihre Erwerbsarbeit verloren haben, und gegen eine Reihe weiterer geplanter Kürzungen mit negativen sozialen Auswirkungen. Alternativ fordern die Gewerkschaften eine höhere Beiteiligung hoher Einkommen an der Reduzierung des belgischen Staatsdefizits. Unterstützung bekommen die Gewerkschaften von dem belgischen Ökonomen Paul De Grauwe, der an der London School of Economics forscht und lehrt (siehe: Het is een oude politieke truc om vrees aan te jagen, om dan te beloven redder van het vaderland te worden).
Mit der ersten (Nicht-)Reaktion des belgischen Premierminister Bart De Wever (N-VA) zeigen sich die belgischen Gewerkschaften unzufrieden. Daher haben sie am 21. Oktober weitere Streiks für den 24., 25. und 26. November 2025 in Brüssel und landesweit angekündigt. Im folgenden dokumentiert Europa.Blog die heutige Pressemitteilung der sozialistischen Gewerkschaft ABVV-FGTB dazu. Getragen wird der Streik von allen drei belgischen Gewerkschaften: ABVV-FGTB(1), ACV-CSC(2) und ACLVB-CGSLB(3)
Gewerkschaften veröffentlichen „Novemberaufruf“: einen dreitägigen Streik am 24., 25. und 26. November
Letzte Woche haben mehr als 120.000 Menschen friedlich in Brüssel demonstriert, um ihre Besorgnis über die Arizona-Maßnahmen zum Ausdruck zu bringen. In einer gemeinsamen Erklärung haben die Gewerkschaften am selben Tag einen Brief an Premierminister Bart De Wever und die stellvertretenden Ministerpräsidenten geschickt. Trotz der großen Demonstration haben wir jedoch keine Reaktion erhalten, nur ohrenbetäubendes Schweigen seitens der Regierung.
Mehr noch, der Premierminister präsentierte in den Haushaltsgesprächen ein unverdauliches Menü, das Familien und Arbeitnehmer erneut hart treffen würde: einen Index-Sprung(4), noch mehr Einsparungen bei den Renten, eine Erhöhung der Mehrwertsteuer … Und das zusätzlich zu den früheren Abbau-Maßnahmen in der Sozialversicherung und auf dem Arbeitsmarkt. Das Chaos um die Rentenmaßnahmen ist inzwischen riesig. Mehr als die Hälfte der Frauen in unserem Land wäre von der Rentenmalusregelung betroffen. Im Bereich Flexibilität und Arbeitszeit hat die Regierung bereits viele harte und ungerechte Maßnahmen vorgeschlagen.
Nach der großen Demonstration vom 14. Oktober ist offenbar ein weiterer Schritt notwendig. Die Gewerkschaften planen daher mit dem „November-Aufruf” einen dreitägigen Streik am 24., 25. und 26. November im öffentlichen und privaten Sektor.
Am Sonntag, dem 23. November, rufen ACV, ABVV und ACLVB dazu auf, sich massiv an der nationalen Mirabal-Demonstration gegen geschlechtsspezifische Gewalt zu beteiligen. Anschließend wird die Arbeit niedergelegt, um Gehör zu finden:
- Am 24. November streiken die Eisenbahnen;
- Am 25. November streiken alle öffentlichen Dienste des Landes.
- Am 26. November findet ein branchenübergreifender nationaler Streik statt.
Die dreitägige Aktion ist ein eindringlicher Appell an Premierminister De Wever und die gesamte Regierung, den sozialen Abbau zu stoppen. Es ist noch nicht zu spät, die Abbaumaßnahmen sind noch nicht verabschiedet, es bleibt also noch Zeit, die Politik zu korrigieren.
Die Gewerkschaften fordern Premierminister De Wever und die gesamte Regierung auf, endlich glaubwürdige Alternativen auszuarbeiten: eine ernsthafte und gerechte Vermögensbesteuerung, eine Steuer auf digitale Aktivitäten für Tech-Giganten und eine ernsthafte und transparente Überprüfung der milliardenschweren Subventionen für Unternehmen. Dazu gehört auch die einfache Regel, dass auf jedes Gehalt Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten sind, unabhängig davon, ob es sich um eine Managementgesellschaft handelt oder nicht.
Kurz gesagt, ein gemeinsamer Appell für mehr Gerechtigkeit und einen starken Sozialvertrag, ein Aufruf zur Vereinigung statt zur Spaltung!
(1) ACV-CSC: Der ACV-CSC (Algemeen Christelijk Vakverbond – Confédération des syndicats chrétiens) ist der der christliche und zugleich größte der drei Gewerkschaftsbünde in Belgien.
(2) ABVV-FGTB: Der ABVV-FGTB (Algemeen Belgisch Vakverbond – Fédération Générale du Travail de Belgique) der sozialistische belgische Gewerkschaftsbund.
(3)ACLVB-CGSLB: Der ACLVB-CGSLB (Algemene Centrale der Liberale Vakbonden van België – Centrale générale des syndicats libéraux de Belgique) ist der liberale belgische Gewerkschaftsbund.
(4) In Belgien – wie auch in Luxemburg – gibt es eine so genannte Indexierung. Damit wird ein Verfahren bezeichnet, nach dem die Löhne, Gehälter und Renten regelmäßig – in der Regel jährlich – an die Inflationsentwicklung angepasst werden. Das ist ein sehr effektives Instrument zur Armutsbekämpfung. Wie sie in Belgien funktioniert, ist auf dieser belgischen Webseite in deutscher Sprache beschrieben. Gelegentlich erfolgt in einem Jahr keine Indexierung. In dem Fall spricht man in Belgien von einem Index-Sprung, da dann eine Indexierungsrunde übersprungen wird.
Titelbild: Streik am 14.10.2025 in Brüssel; Copyright: Hanna Penzer (2025)
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