Beitrag von Vesna Caminades

Haben Sie auch heuer wieder die passenden Geschenke gefunden, um Ihren Freunden und Lieben Freude zu machen? Wertvolle schicke Ideen, machen besonders Eindruck, das weiß jeder – so zum Beispiel Accessoires aus Leder, Kleidung aus feinster Wolle, Daunenjacken und so einiges mehr. Leider ist in diesen Fällen die Freude des einen, meist das Leiden von Millionen anderer. Haben Sie sich jemals gefragt, was hinter den Lederhandschuhen, der ledernen Laptoptasche, dem Lederbezug Ihres Wagens, der warmen Daunendecke oder aber dem schmuseweichen Mohairpulli steckt? Möchten Sie das lieber nicht wissen? Das kann ich gut nachvollziehen, da steckt nämlich ziemlich viel Grausamkeit dahinter. Es grenzt am Unvorstellbaren, was Tiere durchmachen müssen, damit wir zu unserem Pelz und Leder, unserer Wolle oder zur begehrten Daune kommen.

Wir machen es uns allerdings leicht: die Rohstoffe stammen eh von gestorbenen Tieren? Daher hat das ja bitte nichts mit Misshandlung zu tun? Na ja, fragen Sie mal die Gans, die bis zum Blut gerupft wird, das Schaf, welchem beim Scheren zufällig das Rückgrat gebrochen wurde oder das Kalb, welches auf die Welt kam, um Stunden später gewaltsam seiner Mutter entzogen zu werden, um eine Luxuswageninnenausstattung zu werden…. Wer will schon wissen, oder daran erinnert werden, was dem Tier widerfahren ist, auf dem man gerade sitzt? Niemand. Oder vielleicht doch einige unter uns. Und einige unter diesen „Einigen“ beschließen dann vielleicht sogar, nach Alternativen zu suchen. Alternativen, die es tatsächlich gibt – qualitativ durchaus vergleichbare Ersatzprodukte, die in den meisten Fällen sogar nachhaltiger und umweltfreundlicher hergestellt werden. Werfen wir doch gemeinsam einen Blick hinter dem allen, schauen wir, was wirklich dahintersteckt.

Ich weiß nicht recht, wo ich beginnen soll. Vielleicht bei den heiligen Kühen Indiens. Meist sehen wir in Kühen und Rindern lediglich Steaks auf vier Beinen sowie Milchspender. Beide werden allerdings immer öfters auch für deren Haut gezüchtet, die wohl das wichtigste Nebenprodukt der Fleischproduktion ist. Dabei ist die Haut von Kühen sogar weniger gewinnbringend als jene ihrer männlichen Artgenossen, da sie nicht so dick ist.

Also, rauf auf den Lastwagen, will das Tier nicht, dann wird es raufgeschoben und ab in den Schlachthof. Dort hört man bereits von weitem das Gebrüll der anderen Kühe, Rinder und Kälber. Klar, besonders geschmeidige Haut kommt vom Kalb. Sich wehren hilft nicht. Rein in die Betäubungskammer, Brüllen, Schlagen und der Bolzenschuss. Und aus. Wirklich? Das ist nicht sicher, denn das Tier zappelt noch. Vielleicht nur eine Reaktion, die Nerven, oder aber lebt das „Lebensmittel auf vier Beinen“ noch? Bekommt es etwa noch mit, wie ihm die Kehle aufgeschnitten wird, damit das Blut rausfließt? Aufgehängt an einem Bein? Nein, das kann doch nicht sein. Besser nicht hinterfragen, besser nicht wissen, besser wegschauen. Schlachthöfe müssen ja Tierwohlkriterien erfüllen; es gibt doch Kontrollen, strenge Kontrollen, oder?

So etwas kommt bereits in unseren Breitengraden vor, den göttlichen Kühen in Indien geht es aber nicht besser trotz aller Heiligkeit – ganz im Gegenteil. Das Land wurde 2012 weltweit Rindfleischexporteur Nummer eins. Das einzige Probleme mit dem heiligen Lebensmittel auf vier Beinen ist jenes, dass man es eben nicht in allen indischen Bundesstaaten schlachten darf – eben, weil es göttlich ist. Die Lösung ist ganz einfach, man pfercht möglichst viele Rinder auf einen Lastkraftwagen (ca. drei bis viermal so viele wie eigentlich vom verfügbaren Platz her möglich wäre), fährt sie bis zu 150 Kilometer weit in sengender Hitze ohne Wasser bis zu einem Schlachthof, wo Schlachten erlaubt ist. Ob sich unterwegs die Kühe aus Platzmangel gegenseitig die Hörner in den Leib stechen oder ob sie eine auf der anderen liegen, das ist relativ. Sie sind ja eh zum Tode verurteilt. Ob die Tiere, einmal angekommen, kaum noch aufstehen können und in den Schlachthof geschleift werden müssen, ist ebenfalls relativ. Dass man ihnen eventuell Chilipaste oder Tabak in die Augen reibt oder die Schwanzknochen bricht, damit sie dennoch reagieren und auf die Beine kommen, ist vielleicht weniger relativ. Soviel Grausamkeit kann ich mir ehrlich gesagt, beim schlechtesten Willen nicht vorstellen.

Aber zurück zu unserer Kuh, die gerade an einem Bein baumelt und beim Ausbluten ist. Gekonnt werden die Extremitäten eliminiert und die Haut abgezogen. Steak etc. folgen, bis zu unserem beliebten Filet.

Die Haut ist aber sehr empfindlich und muss sofort verarbeitet werden, das Tier soll ja nicht „umsonst“ gelitten haben…. Nun „weibliches“ minderwertiges Leder wird wie gesagt direkt nach Asien verschifft, damit es dort zu Schuhen und Möbeln verarbeitet wird, „männliches“ Leder bleibt meist in Europa und wird dort in Autoinnenausstattung, Handschuhe, Taschen etc. umgewandelt – unsere schicken Weihnachtsgeschenke!

Bevor es aber zu Leder wird, muss das Rohmaterial gegerbt werden. Zunächst werden noch Fleisch- und Fettreste, Nerven, vielleicht auch Sehnen und anderes Unerwünschtes entfernt. Wer will schon auf einem Ledersitz Platz nehmen, der auch nur im Entferntesten daran erinnern könnte, dass das einmal ein Lebewesen war? Problem beim Gerben: ca. 85% alles Häute weltweit werden mit Chrom gegerbt, dabei ist anscheinend Chrom (VI) besonders schädlich, für die Gesundheit – die menschliche natürlich, denn die Kuh ist ja schon tot: mögliche allergische Reaktionen oder eventuell durch Einatmen Krebs. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung hat diesbzgl. Untersuchungen durchgeführt (hier geht es zu einem Fachblatt dazu „Stellungnahme Nr. 017/2007 des BfR vom 15. September 2006″).

Weitere Informationen zu Alternativen zu Leder gibt es hier: Echtes Leder oder Kunstleder? Tierschutz in der Autoindustrie.

Es gibt aber natürlich auch umweltfreundlichere Gerbmethoden, so zum Beispiel auf der Basis von Olivenblättern. Wie es meistens der Fall ist, die nachhaltig produzierte Variante ist entsprechend teurer – das heißt, dass sich Konsumenten meist für die billigere Option entscheiden (müssen). Dass die Chemikalien, welche für das Gerben verwendet werden und eventuelle Nebenprodukte wie das Haar des Tieres etc. in den Gewässer landen und langanhaltende Schäden verursachen (können), ist wahrscheinlich ebenfalls nicht relativ, sondern wichtig. Wichtig, wie das Leiden und die Panik der Tiere.

Die brasilianische Aktiengesellschaft JBS (Abkürzung für José Batista Sobrinho Sociedade Anónima) ist der größte Fleischproduzent der Welt und das größte Fleischverarbeitungsunternehmen in Südamerika. Es unterhält bis zu 219 Millionen Tiere auf einer Fläche, die so groß ist wie Deutschland, Frankreich und die Ukraine zusammen.

Ganz nebenbei bemerkt, die Rinder stehen dort, wo früher Regenwald war. DER Regenwald, um den wir uns so oft Sorgen machen. Moment mal: heißt das etwa, dass wir durch den Kauf dieser Produkte indirekt die Vernichtung des Regenwaldes mitverantworten? Nein, das kann doch nicht sein … Oder doch?

Das Unternehmen verarbeitet in 26 Fabriken weltweit bis zu 10 Millionen Tierhäute, und beliefert die größten Autohersteller (Innenausstattung), berühmte Modeunternehmen (Turnschuhe und besonders weiche, anschmiegsame Schuhe) sowie Möbelhändler (Sofas, Stühle usw.). Wer gerne Markennamen erfahren möchte, kann das auf Webseiten von Tierschutzorganisationen nachlesen.

Hier geht es außerdem zu einem Artikel von Presseportal.de, wo speziell über die Lederinnenausstattung von Autos gesprochen wird. Das Video kann „störend“ wirken. Innenausstattung sieht man nämlich keine, dafür aber viele Kälbchen. Andererseits ist jede „störende Realitätsbekundung“ höchst willkommen, wenn dadurch auch nur ein Konsument einen Moment innehält, bevor sie/er sich das nächste Mal für ein Echtlederprodukt entscheidet.

Aber stopp einmal: Leder ist doch besser als Pelz, oder? Leder stammt ja von Tieren, die soundso wegen ihres Fleisches umgebracht wurden? Es ist ja lediglich ein Nebenprodukt? Oder? Oder doch nicht? NEIN. Weltweit werden Rinder, Kühe und Kälber für die Lederproduktion gezüchtet. Durch den Kauf von Lederprodukten unterstützt man diese Wirtschaft und damit Tierleid und Quälerei.

Nur nebenbei: Wie viele Menschen glauben genauso, dass Milchkonsum absolut tierneutral ist und keinerlei Leid verursacht? Ganz im Gegenteil, die Produktion erfolgt meist auf intensive Art und Weise und ist mit erheblicher Tierquälerei verbunden. Hier eine 5-Minuten Erklärung dazu, sehr aufschlussreich (in mehreren Sprachen verfügbar). Mehr dazu in meinem Beitrag über Milch.

Gut, dann muss man es sich bei Leder eventuell überlegen. Aber Wolle und Daunen? Die Gans verliert ja soundso die Federn früher oder später. Jain. Raufen ist nicht gleich Rupfen. Raufen ist erlaubt, denn dabei werden dem Tier die Federn in der Mauser (also beim natürlichen Federwechsel) entnommen. Da muss man halt den richtigen Moment abwarten. Rupfen ist da schon etwas anders aus der Sicht der Gans. Meist an den Füssen festgehalten, am Hals raufgezogen, damit sie sich nicht bewegt und schon geht es los. Die Federn werden aus dem Körper gerissen. Grobe Verletzungen sind nicht selten. Das beginnt meist im Alter von neun Wochen und wird alle sechs Wochen wiederholt. Wenn die Gans besonders Glück hat, dann wird sie für Stopfleber gezüchtet und daher mehrmals am Tag mit einem Metallrohr zwangsernährt und nebenbei gerupft – das Tier muss ja rentabel sein. Das alles, bis es endlich zum Schlachter geht. Endlich. Die Erlösung.

Ähnliches gilt beispielsweise für die Mohairwolle. Herrlich weich und warm, dasselbe dachten sich die Ziegen, von der sie geschoren wurde. Doch wie wurde sie gewonnen? Ca. 50% der weltweit verkauften Mohairwolle stammt aus Südafrika. Das große Problem ist, dass die Arbeiter meist pro geschorene Ziege und nicht pro Stunde bezahlt werden. Daher muss alles schnell gehen. Tiere werden an den Hörnern oder an den Beinen gezerrt, es kann beim Scheren zu Wunden kommen. Außerdem werden die Tiere ihres natürlichen Schutzes vor Kälte beraubt. Farmer gaben bei einer Untersuchung von PETA zu, dass viele Ziegen an Unterkühlung sterben – an einem Wochenende waren das in Südafrika 40.000. Ob das noch rentabel ist … Hier mehr dazu.

Einige der großen Marken haben auf diese Studie hin beschlossen, keine Mohairprodukte mehr zu verkaufen. In diesem Fall will ich gerne Marken nennen: GAP Inc. (Gap, Old Navy, Banana Republic, Athleta) sowie Inditex (Zara) und H&M mit acht Marken.

Nach all dem die gute Nachricht: Wir können als Konsumenten all dem Einhalt gebieten, denn es gibt Alternativen. Welche?

Es gibt ein reiches Angebot an veganer Kleidung, Taschen, Schuhen (sogar Tanzschuhe, denn deren Sohlen stammen meist vom Lamm). Der Teufel liegt oft im Detail – anders ausgedrückt: oft sind wir uns gar nicht bewusst, dass da irgendein Bestandteil tierischen Ursprungs mit dabei ist. Viele wissen nicht, dass beispielsweise Seide aus dem Kokon der Seidenspinnerraupen gewonnen wird. Oder man findet Hornknöpfe auf Strickpullis oder Bienenwachs beim Wachsen von Outdoor-Jacken. Ich werde zu diesem Thema gerne einen eigenen Beitrag schreiben, denn es ist sehr interessant, was es da alles gibt, wenn man gerne Ersatzprodukte für tierische Bestandteile finden möchte. 

Weigern Sie sich also bitte dem Tierwohl zugute, Mohair oder Leder oder Daunen zu kaufen. Wenn Sie hingegen absolut nicht ohne auskommen können, dann gibt es zum Beispiel für Daunen einige Links, wo man nachschauen kann, inwiefern die Gänse nur gerauft wurden. Das heißt konkret: Global Traceable Down Standard (TDS) oder Responsible Down Standard (RDS). Bei Produkten mit diesen Siegeln (Jacken, Bettdecken und Kissen) sind Lebendrupf und -rauf als auch Zwangsfütterung (Stopfen) der Tiere verboten.

Es ist also wichtig, dass wir nicht nur blindlings kaufen, sondern dass wir uns fragen, wie wird etwas produziert? Wir können nämlich durch alternative Entscheidungen Leben retten.

Sollten Sie aber zum Beispiel immer noch der Meinung sein, beim Rupfen leidet die Gans nicht, denn sie verliert früher oder später ihre Federn so und so – dann schlage ich Ihnen eine kurze praktische Übung vor: reißen Sie sich fünf Minuten lang einzelne Haare aus. Und denken Sie dabei, dass das im Vergleich zu dem, was eine Gans aushalten muss, nichts ist. Na, wie fühlt es sich denn an? IAMA

Quellen:

Svenia Beller https://www.svenjabeller.com/leder/

In style https://www.instyle.de/fashion/hm-stoppt-mohair-tierquaelerei

Wer Fragen oder Anregungen zu diesem Thema an Vesna Caminades hat, kann sich unter dieser E-Mail-Adresse an sie wenden: iama4iwannaknow |et| gmail.com oder Mobile Phone +32488617321.

Zu den weiteren Artikeln von Vesna Caminades zum Thema Tierschutz und Tierrechte bitte hier klicken

Titelbild: Mohair goats | Foto: Linda/FlickR CC BY 2.0

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