Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Mag. Jörg Leichtfried | Foto: privat

In den vergangenen Monaten wurde viel Wind um die österreichische Entscheidung gemacht, vor dem Europäischen Gerichtshof gegen die deutsche Autobahnmaut zu klagen. Manche stellen die Frage, warum ausgerechnet Österreich die Maut mit allen rechtlichen Mitteln bekämpft. Zudem habe Deutschland doch schon einen Kompromiss mit der Europäischen Kommission ausgehandelt und diese ihren europarechtlichen Segen gegeben. Und in Österreich hätten wir doch schon seit 20 Jahren ein Mautsystem.

Aus meinen Ansichten habe ich nie ein Hehl gemacht: Ich halte die Entscheidung der Europäischen Kommission, die deutsche Maut in der aktuellen Form als rechtskonform durchzuwinken, für einen gravierenden Fehler. Laut Plan sollen alle Autofahrerinnen und Autofahrer auf deutschen Autobahnen für die Fahrt zahlen, nur die Deutschen nicht. Diese bekommen die Maut über eine Steuergutschrift refundiert. Das halte ich für unvereinbar mit dem Europarecht, auch wenn dem Kompromissentwurf ein Ökomäntelchen umgehängt wurde. Dieser Standpunkt wird durch ein Gutachten des Europarechtsexperten Walter Obwexer untermauert. Und sogar ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags teilte diese Einschätzung.

In einem gemeinsamen und solidarischen Europa müssen für alle dieselben Spielregeln gelten. Die Entscheidung der EU-Kommission ist deshalb nicht nur ärgerlich, sondern auch höchst problematisch. Denn es ist ihre ureigene Aufgabe, darauf zu achten, dass europäische Verträge eingehalten werden.

Wenn es sich große Mitgliedstaaten wie Deutschland zulasten der Kleineren einfach richten können – unter Duldung der EU-Kommission, dann werden hier fundamentale Grundlagen unserer Gemeinschaft in Frage gestellt. Im konkreten Maut-Fall zahlen die Rechnung die ausländischen Autofahrerinnen und Autofahrer sowie die Transportwirtschaft aus den Nachbarländern, für die die deutsche Ausländermaut ein handfester Wettbewerbsnachteil ist.

In einem Punkt wird die österreichische Kritik an der deutschen Maut oft missverstanden. Wir haben nichts gegen eine Maut auf deutschen Autobahnen. In Österreich gibt es seit zwei Jahrzehnten das Vignettensystem. Der Unterschied ist: In Österreich zahlen alle, die die Autobahn benutzen. Ausnahmen gibt es keine. In vielen Ländern der Union wird für das Benutzen der Autobahnen eine Maut eingehoben. Wie so ein System letztlich aussieht, ist den Mitgliedsländern überlassen. Auf jeden Fall muss es immer fair sein.

Im Kern geht es in diesem Konflikt darum: Wollen wir in einem Europa leben, in dem die Stärke des Rechts gilt, oder in einem Europa, in dem das Recht des Stärkeren gilt? Die Kommission stellt sich selbst in Frage, wenn sie sich auf die Seite des Stärkeren stellt. Das ist für die Zukunft des europäischen Projekts brandgefährlich.


Titelfoto: International Transport Forum CC BY-NC-SA 2.0

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