Beitrag von Jürgen Klute

Lange wurde Angela Merkel dafür gelobt, dass sie während der nun schon fast 10 Jahre andauernden EU-Krise „auf Sicht fährt“. Auf Sicht fahren heißt aber, kein Ziel vor Augen zu haben und nicht wissen, wo es hin geht und wohin der Weg führt, auf dem man fährt.

Der Konflikt in Katalonien lässt sich so lesen, dass die EU mit Angela Merkel am Steuer und Wolfgang Schäuble auf dem Beifahrersitz recht heftig vor eine Wand gerast ist.

Hätten Angela Merkel und der EU-Rat gelegentlich auch mal in den Rückspiegel geschaut – um im Bild zu bleiben – wäre ihnen vielleicht aufgefallen, was sich hinter ihnen zusammenbraut.

Ulrich Ladurner erinnert in seinem Artikel „Spalterische Leidenschaften“ in Die Zeit vom 1. November 2017 an die Rolle, die die unter Berliner Federführung von der EU vor allem in Südeuropa durchgesetzte Austeritätspolitik beim Erstarken der Separatisten spielt: „2011 war es so weit. Die europäische Finanzkrise entfesselte die disruptive Kraft der Sezessionsbewegungen. Das lässt sich an Katalonien nachvollziehen. Bis 2011 lagen die Separatisten bei Umfragen über viele Jahre konstant bei 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung. Nach 2011 legten sie stetig zu, und heute liegt ihr Anteil bei rund 48 Prozent. Der Zusammenhang ist eindeutig. Das zeigt auch der Blick auf andere Regionen. Nach 2011 gewann Separatismus überall Zulauf.“

Wären Merkel im EU-Rat und Schäuble in der Euro-Gruppe nicht vorrangig auf die Durchsetzung deutscher Interessen fixiert gewesen, hätten sie diese Entwicklung wahrnehmen können. So aber haben EU-Rat und Eurogruppe seit Beginn der Krise ihre ganz Aufmerksamkeit und ihre Energien auf die Durchsetzung der Austeritätspolitik ausgerichtet und haben alle Warnsignale für das, was sich in Katalonien anbahnte hocheffizient ignoriert. Das gleiche gilt übrigens auch für den Brexit. Und diese Haltung hat offenbar auch jede Erinnerung an die Diskussionen über ein Europa der Regionen in den 1990er Jahren blockiert.

Dabei gab es seit 2012 vermehrt Stimmen, die öffentlich für eine forcierte Weiterentwicklung der EU zu einem Europa der Regionen eingetreten sind und eine Überwindung der Nationalstaaten eingefordert haben. An prominentester Stelle sind wohl Robert Menasse und Ulrike Guérot zu nennen, die etwa seit 2012 in einer ganzen Reihe von Artikeln und Interviews für diese Option eingetreten sind (dieser Link führt zu einer Auswahl ihrer Debattenbeiträge).

Im Oktober 2016 schlug der Schweizer Ökonom Bruno S. Frey in einem Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung (Es gibt eine Alternative zur EU, NZZ vom 17.10.2016) vor, die EU durch den Aufbau von problemorientierten politischen Körperschaften zu reformieren. Der Aufbau soll nach Frey von untern erfolgen und sich auf regionale Problemstellungen konzentrieren. Als Beispiel führt er die Bewirtschaftung von Bodensee und Rhein auf, die eine gemeinsame Aufgabe von der Schweiz, Deutschland und den Niederlanden wäre.

„Damit“, so Frey, „entsteht ein Europa der Vielfalt – was der Natur unseres Kontinentes auch am besten entspricht.“ Diese Konstruktion würde nach Freys Vorstellung sowohl die Nationalstaaten überwinden als auch einen übermächtigen Brüssler Verwaltungszentralismus unterbinden. Die durch die Digitalisierung geschaffenen Möglichkeiten der Vernetzung sieht als technische Grundlage einer solchen dezentralen Struktur an.

Angesichts des Brexits und der kontroversen Debatte um Flüchtlinge hat Gesine Schwan am 28. Juni 2016 in einem Gastbeitrag für die taz unter dem Titel „Die Wende zum Guten“ Reformideen für die EU dargelegt.

Auch bei ihr steht die kommunale Ebene im Vordergrund:

„Die Alternative hieße, weiter integrieren – aber so, dass die Bürger dies zu ihren Gunsten spüren können, dass sich die politischen Entscheidungen nicht noch weiter von ihnen entfernen. Dazu müssen wir die subjektiv wahrgenommene Abgehobenheit von Brüssel und das verfassungsmäßige Nullsummenspiel zwischen den Nationalstaaten und der EU-Ebene überwinden.

Das kann gelingen, wenn wir in das Verhältnis zwischen Brüssel und den Nationalstaaten stärker die Kommunen einbeziehen. Und wir sollten die Gewichte zwischen diesen drei Ebenen neu austarieren. So könnten wir mit Hilfe der (organisierten) Zivilgesellschaft eine Bürgerbeteiligung organisieren, die den Bürgerinnen und Bürgern mehr demokratisch konstituierte Mitentscheidungen ermöglicht und durch Partizipation zu einer neuen Identifikation mit der EU führt.“ 

Diese Debattenlinie ist anschlussfähig an globale Debatten über die zukünftige stärkere Rolle von Kommunen. Der im April dieses Jahres verstorbene amerikanische Politikwissenschaftler Benjamin Barber (If mayors ruled the world) hat das Projekt eines Weltparlaments der Bürgermeister angestoßen (siehe das Interview mit ihm in Die Zeit vom 18.10.2016: “Städte sind die ersten Opfer des Klimawandels”).

Im Juni diese Jahres trafen sie Delegationen aus 150 Städten im chilenischen Valparaíso (siehe den Beitrag von Alex Rühle „Können Städte die Welt retten?“ in der Süddeutschen Zeitung vom 08.07.2017). Im Mittelpunkt standen Fragen wie „Welche internationalen Kooperationen sind möglich? Wie muss eine Politik des 21. Jahrhunderts aussehen? Wie können wir uns besser transnational abstimmen?“. Dahinter steckt die Unzufriedenheit vieler Städte und Bürger und Bürgerinnen mit der zunehmenden Unfähigkeit von Regierungen und Parlamenten auf nationalstaatlicher Ebene drängende Probleme zu lösen, sei es der Klimawandel, seien es die globalen Fluchtbewegungen oder die zunehmenden sozialen Verwerfungen – alles Probleme, die in den Städten konkret werden und für Städte von hoher Handlungsrelevanz sind.

Für Gesine Schwan ist die Stärkung der Kommunen in Verbindung mit einer stärkeren Bürger*innenbeteiligung auch eine Antwort auf die Wiedererstarkung nationalistischer Parteien und eines massiven Rechtsrucks in vielen europäischen Gesellschaften.

Das ist schlüssig, denn der Kontrollverlust über die eigenen Lebensgestaltung scheint ein wichtiges Moment zu sein für die Zuwendung vieler Bürger*innen zu rechten Parteien. Darauf verwies u.a. letztlich noch einmal Wilhelm Heitmeyer in einem Interview mit den Ruhrbaronen (Der Erfolg der AfD im Ruhrgebiet – Wilhelm Heitmeyer im Interview). Dafür spricht aber auch der zentrale Slogan der Brexit-Kampagne „take control back“ („hol dir die Kontrolle zurück“).

Eine prinzipielle Unterstützung findet Gesine Schwan bei Claus Leggewie und Patrizia Nanz. In ihrem im letzten Jahr erschienen Band „Die Konsultative“ setzen Leggewie und Nanz sich für neue Formen der Bürgerbeteiligung auf kommunaler, Landes-, Bundes- und europäischer Ebene ein. Auch sie wollen mit ihren Vorschlägen u.a. eine Antwort auf den Protest geben, der sich zumindest in einem Teil der Stimmen für die AfD wiederfindet.

Das Referendum in Katalonien zur Unabhängigkeit ist also keineswegs ein isoliertes Phänomen. Man muss es vielmehr als spezifischen Ausdruck einer Unzufriedenheit mit dem aktuellen Zustand der EU bzw. darüber hinausgehend mit dem Zustand der Politik generell begreifen, die sich an anderen Orten und in anderen Debatten in anderer Form zum Ausdruck bringt. Dazu gehört im übrigen auch das Autonomie-Referendum in Venetien und der Lombardei vom 22. Oktober 2017 – auch wenn es eher symbolischen Charakter hatte (vlg. dazu Michael Braun: “Italien – Ein bisschen Katalonien spielen.” Die Zeit vom 23.10.2017).

In dieser Unzufriedenheit kündigt sich noch eine viel tieferliegende und weitreichendere Umwälzung an. Bruno S. Frey hat in seinen oben skizzierten Überlegungen zu einer Reform der EU darauf verwiesen, dass die Digitalisierung die Technischen Möglichkeiten schafft, eine in seinem Sinne reformierte EU zu organisieren. In Wirklichkeit dürfte die Digitalisierung die treibende Kraft der Veränderungen sein, um die es hier geht. Die Digitalisierung schafft nicht die technischen Voraussetzungen für eine Reform der EU, sondern die technischen Möglichkeiten, die die Digitalisierung schafft, erfordern eine Reform der EU und der Staaten, sie erfordert eine tiefgreifende Neuordnung des (politischen) Raums.

Debora MacKenzie hat in ihrem Artikel „End of nations: Is there an alternative to countries?“ (New Scientist 03.09.2014) unter Einbeziehung unterschiedlicher Forschungsdisziplinen die Entstehung des heutigen Nationalstaats nachgezeichnet. Sie spannt einen Bogen von der Durchsetzung des staatlichen Machtmonopols als Folge des Westfälischen Friedens von 1648 bis zur Herausbildung des uns heute vertrauten Nationalstaats im Rahmen der Entstehung des Industriekapitalismus. Sowohl die starren hierarchischen staatlichen Strukturen als auch die heutigen Grenzregime folgen den Bedarfen und Interessen einer von der Industrie bestimmten Ökonomie, wie sie sich in den westlichen Gesellschaften seit Beginn des 19. Jahrhunderts durchgesetzt haben. MacKenzie arbeite in ihrem Artikel überzeugend heraus, dass die Form des heutigen Nationalstaats von der ökonomischen Struktur der Gesellschaft bestimmt ist und zieht folgenden Schluss daraus:

„Like it or not, our societies may already be undergoing this transition. We cannot yet imagine there are no countries. But recognising that they were temporary solutions to specific historical situations can only help us manage a transition to whatever we need next. Whether or not our nations endure, the structures through which we govern our affairs are due for a change. Time to start imagining.“

Bezieht man diese Schlussfolgerung auf den heutigen Entwicklungsstand der Digitalisierung, dann lässt sich zunächst festhalten, dass eine digitalisierte Wirtschaft nicht mehr nach dem Modell einer starren Hierarchie geformt ist, sondern nach dem Modell eines Netzwerkes. Nach der These von MacKenzie müssten sich die staatlichen Strukturen zukünftig diesem Organisationsmodell anpassen.

Wie eine solche veränderte Staatsform aussehen wird, lässt sich heute schwer sagen. Setzt man aber die oben skizzierten Debatten um eine Aufwertung der Kommunen, die erneuten Debatten um ein Europa der Regionen, die Ideen von Bruno S. Frey zu problemorientierten politischen Körperschaften sowie die Wiederbelebung separatistischer Ideen in den Kontext der Überlegungen von MacKenzie, dann deutet sich zumindest eine Richtung an, in die es gehen könnte.

Aus einer ganz anderen Perspektive befass sich Adania Shibli mit dem Verschwimmen von Grenzen, dem Absterben von Nationen im digitalen Kapitalismus. Ihr Ausgangspunkt ist der Film „Havarie“, in dessen Mittelpunkt das Schicksal von Flüchtlingen in einem Boot auf dem Mittelmeer steht. An diesem Geschehen verdeutlicht Shibli in ihrem Artikel „Abschied von der Nation“ (Kulturaustausch – Zeitschrift für internationale Perspektiven, Ausgabe II / 2016)  das Verschwimmen und schrittweise Verschwinden des Denkens in der Kategorie der Nation:

„Der Film „Havarie“ nun stellt ein Ereignis in den Mittelpunkt, das sich mitten auf dem Meer abspielt. Das Wasser hat keine eindeutigen Merkmale aufzuweisen, die es wiedererkennbar machen, so wie dies in einer als Nation vorgestellten Landschaft der Fall ist. Es ist aber sehr wohl ein sozialer Raum, in dem sich zur gleichen Zeit verschiedene Personen befinden.

Anders als in den Romanen des 19. Jahrhunderts wie „Noli me tangere“ gehören die Personen des Films nicht alle derselben Nation an. In diesen Aufnahmen überwinden die Protagonisten andere, virtuelle Räume, die keine Grenzen mehr kennen: Der Soundtrack des Films besteht aus Handygesprächen zwischen einer Frau in Frankreich und ihrem Partner in Algerien, dem Funkverkehr zwischen den Rettungsteams und dem Kapitän des Schiffes und einem Telefonat zwischen einem Mann und seiner Partnerin in Odessa. Ähnlich wie zu Zeiten des Buchdrucks, in denen immer neue Zielgrupppen erschlossen wurden, hat es die Logik des digitalen Kapitalismus ermöglicht, dass fast jeder Mensch auf neue Medien zugreifen kann: Längst dokumentieren nicht nur Touristen die Erlebnisse auf Kreuzfahrtschiffen, auch geflüchtete Menschen nutzen Smartphones als Navigationshilfen.“

Adania Shibli schlussfolgert daraus, dass die nationalen Grenzen zunehmend und auf Dauer durch die Digitalisierung unterminiert werden. Daher, so argumentiert sie weiter, haben wir „keine andere Wahl, als den Nationalismus als Bezugsrahmen zu hinterfragen und uns der gemeinsamen Erfahrung des Lebens zu stellen – als Gemeinschaften, deren Existenz nicht unbedingt von einer räumlichen Nähe abhängt.“

Wie eine solche Zukunft aussehen könnte, skizziert Shibli am Ende ihres Artikels:

„Würden wir nicht mehr so sehr in Kategorien wie „Mehrheitskultur“ und „Minderheitskultur“ denken, gäbe es weniger Tragödien. Ein Weg wäre Toleranz gegenüber Unterschieden in Rasse, Sprache, Sexualität, Religion und kultureller Praxis, und zwar gerade auch bei staatlichen Regelungen und im politische Denken. Da die Migrationsströme nicht abreißen werden, können wir es uns nicht leisten, keine neuen Bezugsrahmen für eine soziale Teilhabe in unseren heutigen variablen und ortsungebundenen Gemeinschaften zu entwerfen; sie müssten dazu führen, dass  einzelne Teile nicht zugunsten anderer ausgegrenzt werden und dass kein kulturelles System, keine geschichtliche Entwicklung und keine Lebensform über eine andere gestellt wird. Sie sollten, im Gegenteil, die Möglichkeit zulassen, dass sich innerhalb der Struktur von Gemeinschaften Wahlmöglichkeiten eröffnen und Fluidität herrscht, so wie dies in den virtuellen Gemeinschaften der Fall ist, denen man sich anschließen und die man wieder verlassen kann, ohne eine verletzende Ausgrenzung oder einen Zwang zur Zugehörigkeit erleben zu müssen.“ 

Die hier von Debora MacKenzie und Adania Shibli aus unterschiedlichen Perspektiven beschriebene Veränderung unserer bisherigen Vorstellungen politisch-räumlicher Organisation wird durch die voranschreitende Entwicklung digitaler Technik weiter angetrieben.

Zwei technische Entwicklungen dürften hier von besonderer Bedeutung sein: Zum einen die so genannte 3-D-Druck-Technik und zum anderen Blockchain-Technologie.

Der 3-D-Druck wird die Organisation der Warenproduktion und er Warendistribution tiefgreifend verändern. Über 3-D-Drucker wird die Produktion zukünftig dort stattfinden, wo die Produkte gebraucht werden. Das hat nachhaltige Auswirkungen auf den Gütertransport, der massiv zurückgehen wird aufgrund der zukünftig dezentralisierteren Produktion (vgl. dazu: “Der klassische Güterhandel ist ein Auslaufmodell” Der Spiegel 09.01.2016).

Die Blockchain-Technologie ist die Basis digitaler Währungen, vor allem als Bitcoin bekannt, wenngleich es mittlerweile eine ganze Reihe anderer digitaler Währungen gibt. In der gegenwärtigen Krise in Venezuela („Venezolaner kämpfen mit Bitcoins gegen das Staatsversagen“ – Der Standard 07.07.2017) zeigt sich, welche Auswirkungen Blockchains und digitale Währungen haben, die nicht mehr staatlich kontrolliert sind und auch kaum staatlich kontrolliert werden können. So können mit digitalen Währungen staatliche Kapitalverkehrskontrollmaßnahmen problemlos unterlaufen werden. Diese Entwicklung hat Auswirkungen auf klassische Geldpolitik und auf die Funktionen von Zentralbanken.

Diese Entwicklungen erfordern eine neue Konzeption politischer Raumvorstellungen und der Organisation politischer Räume.

Roberto Pla: Tots Som Catalunya CC-BY-NC 2.0

Adania Shibli hat eine mögliche Entwicklungsrichtung angedeutet. Sie spricht von Fluidität. Die Idee einer fluiden Staatangehörigkeit (Formen der Staatlichkeit werden auch in Zukunft nötig sein, will man nicht das Modell des Westfälischen Friedens, also das Modell des staatlichen Machtmonopols, das einen erheblichen zivilisatorischen Fortschritt darstellt, aufgeben) könnte an das Modell Belgien anknüpfen. Im kleineren Rahmen funktioniert in Belgien so etwas wie ein Vorläufermodell einer fluiden Staatszugehörigkeit.

Belgien besteht aus der gesamtstaatlichen Struktur mit Parlament und Regierung.

Hinzu kommen zwei Regionen: Wallonie und Flandern. Für beide Regionen gibt es ein eigenes Parlament und einen eignen Präsidenten. Die Regionen sind zuständig für die räumlichen Strukturen und die Infrastruktur.

Und schließlich gibt es die drei Sprachgemeinschaften: Die Deutsche Sprachgemeinschaft in Ostbelgien, die regional zur Wallonie gehört. Die Französische Sprachgemeinschaft, die ebenfalls regional zur Wallonie gehört. Und die Flämische Sprachgemeinschaft, die regional zum flämischen Teil Belgiens gehört. Die Sprachgemeinschaften sind jeweils für Personen gebundene Fragen zuständig, also Kultur, Bildung, Soziales.

Jeder in Belgien lebende Bürger und jede in Belgien lebende Bürgerin hat das Recht, in jeder der zwei Regionen oder drei Sprachgemeinschaften zu leben. Seine Rechte bleiben ihm bzw. ihr jeweils erhalten. Niemand muss bei einem Umzug in eine andere Region die dortige Sprache sprechen – auch wenn es von Vorteil ist.

Was spräche dagegen, dieses System weiterzuentwickeln und zunächst auf Europa auszuweiten. Sicher braucht das Zeit, aber es wäre ein Ziel.

Will die EU jedenfalls zukunftsfähig werden, dann muss sie anfangen, in diese Richtung zu denken und Modelle zu entwickeln.

Auch wenn der Konflikt in Katalonien lange historische Wurzeln hat (vergleiche die Lesetips am Ende dieses Artikel) darf man ihn nicht darauf beschneiden – dieser alte Konflikt bildet eben auch einen Resonanzraum für Verwerfungen, die aus dem aktuellen Umbruch in Gestalt der Digitalisierung resultieren und auf die die aktuelle Politik bisher keine Antwort zu geben vermag. Das kann nur den überraschen, der die Umbrüche der Digitalisierung ignoriert und dem keine andere Antwort auf diese Herausforderung einfällt als eine starsinnige und nur in diesem Sinne nachhaltige Austeritätspolitik.

Bei einer klugen und vorausschauenden Politik, die diese Stimmen und Entwicklungen zur Kenntnis und aufgenommen hätte, wären andere weniger krisenhafte Entwicklungen denkbar gewesen. Statt dessen aber haben die im EU-Rat vertretenen nationalen Regierungen auf eine Austeritätspolitik versteift, die als Krisenbeschleunigerin wirkt statt eine zukunftsfähige Perspektive zu entwicklen.

Lesetips

Titelbild: Tots Som Catalunya, Roberto Pla CC BY-NC 2.0

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