Die drei Frakionsvorsitzenden der sozialdemokratischen, grünen und linken Fraktionen im Europaparlament wandten sich in einer Gemeinsamen Erklärung an die am vergangenen Montag tagenden Finanzminister der Eurogruppe und forderten die sofortige Aufnahme von Verhandlungen über einen Schuldenschnitt, Schuldenerleichterungen, Schuldenumstrukturierung gegenüber Griechenland.

Damit provozierten wir nicht nur die Finanzminister selbst, sondern offenbar auch Teile der Linken.

Kernfragen des Streits sind  offensichtlich: Darf man sich als Linke in der Auseinandersetzung mit den Gläubigern, der Troika und den Finanzministern der Eurogruppe auf die Seite der linken griechischen Regierung stellen, obwohl  diese doch die aufgezwungenen Zwangsmassnahmen umsetzt? Schließlich hatte diese Regierung doch die Wahl, die Unterschrift unter das Memorandum im Juli 2015 zu verweigern und Griechenland aus dem Euro zu führen.

Linke bewerten die Entscheidungen der Syriza-Regierung unterschiedlich. Das darf doch aber nicht dazu führen, dass wir uns in einer Beobachterposition einrichten!

Eine weitere Frage lautet, ob es legitim ist, unter all den aufgezwungenen Massnahmen auch jene Initiativen sehen zu wollen, die die die Syriza-Regierung der Troika und den  Finanzministern abtrotzte und mit denen sie die schlimme Lage der unter diesen Lasten leidenden Menschen wenigstens in Teilen zu verbessern sucht und gleichzeitig auch aus ihrer Sicht notwendige Reformen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung einzuleiten versucht? Richten Linke und andere Kräfte, die sich gegen das Diktat der Gläubiger wenden, ihren Zorn gegen die Syriza-Regierung, gegen  Troika und Eurogruppe, gegen Beide oder zielen sie bewusst darauf, Schäuble und Djisselbloem auf die Finger zu hauen und zu versuchen, den Handlungsspielraum der Syriza-Regierung zu erweitern?

Eines sollten wir uns nicht gegenseitig absprechen: in erster Linie gilt unsere uneingeschränkte Solidarität den Menschen in Griechenland, jenen, deren Existenz auf das heftigste bedroht ist, deren sowieso schon geringe Renten und Einkommen wieder gekürzt wurden, jene, die in den letzten Jahren ihre Jobs verloren haben und für die sich nur schwerlich ein schmaler Hoffnungsstreifen am Horizont erkennen lässt.

Wir sind solidarisch mit jenen, die sich wehren und auch mit jenen, die all ihre Hoffnungen auf die Syriza-Regierung und Tsipras gesetzt haben, berechtigt enttäuscht sind und auf den Straßen demonstrieren.

Allerdings bin ich auch kritisch-solidarisch mit Tsipras, Tsakalotos, Katrougalos, die bisher nicht aufgegeben haben, mit den Gläubigern und der Eurogruppe um Schuldenerleichterungen ringen und sich dabei in einer äußerst geschwächten Position befinden. Vielleicht auch deshalb, weil es uns hier im Zentrum der Macht, in Deutschland, bisher nicht ausreichend gelungen ist, öffentlich und laut gegen das Schäuble-Diktat vorzugehen?

Schließlich wird die griechische Tragödie, die wesentlich mit der Rettung deutscher und französischer Banken und ihrer reichen Kundinnen und Kunden auf den Schultern der griechischen Bevölkerung begann, vor allem durch die deutsche Regierung genutzt, um immer wieder neue soziale Brutalitäten und Ressourcenabfluss aus Griechenland zu erzwingen.

Jede demokratische Initiative dagegen sollte von den Linken gerade in Deutschland und Frankreich unterstützt werden. Auch wenn sie direkt aus dem Europäischen Parlament kommt und ein Signal sendet, dass die Front jener, die sich der neoliberalen Schulden- und Austeritätspolitik widersetzen, inzwischen breiter geworden ist.

Es ist absurd, daraus den Vorwurf abzuleiten, ich als Fraktionsvorsitzende der Linken im EP, würde nunmehr das Griechenland und seinen Menschen auferzwungene Memorandum mit all seinen Folgerungen anerkennen!

Angesichts des erneuten Auftretens von Schäuble in der letzten Eurogruppensitzung, der erneuten Verweigerung der Auszahlung dringend benötigter Gelder und der Aufnahme direkter und schneller Verhandlungen um Schuldenumstrukturierungen und Schuldenstreichungen sollten wir im Gegenteil endlich alle agierenden Finanzminister der Eurogruppe und insbesondere Herrn Schäuble massiv unter Druck setzen und zu einer Umkehr zwingen. Die Menschen in Griechenland haben keine Zeit darauf zu warten, ob ab September eine neue Bundesregierung eine andere Politik in der EU verfolgen wird oder nicht.


Titelfoto: Gabi Zimmer, Fraktionsvorsitzender der GUE/NGL (Foto: privat)

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